Essen. RWE steht in Startlöchern für Bau neuer Gaskraftwerke. Noch fehlt der Rahmen aus Brüssel und Berlin. Konzernchef Krebber warnt vor den Folgen.

Deutschland braucht rund 50 neue Gaskraftwerke, um 2030 aus der Kohle aussteigen zu können. Ob das in dieser für Kraftwerksbauten inzwischen sehr kurzen Zeit noch zu schaffen ist, bezweifeln viele Experten. RWE-Chef Markus Krebber erklärte am Donnerstag, sein Konzern stehe bereit und warte auf die von der Bundesregierung und Brüssel zu schaffenden Voraussetzungen. Gelinge der Gas-Hochlauf nicht wie geplant, werde Strom in Deutschland knapper und teurer, warnte der Chef des größten deutschen Stromerzeugers.

Durch die Abschaltung konventioneller Kraftwerke drohe ein Mengenproblem, das die Strompreise nach oben treibe, sagte Krebber. Deshalb sei es so wichtig, die Erneuerbaren Energien schneller auszubauen und gleichzeitig gesicherte Leistung durch Gaskraftwerke ans Netz zu bringen, die später mit grünem Wasserstoff laufen sollen. RWE bereite sich auf die Ausschreibungen für wasserstofffähige Gaskraftwerke intensiv vor, die im kommenden Jahr beginnen sollen. Was dafür noch fehlt, sind die Rahmenbedingungen: Klarheit, wie der Strom aus den Kraftwerken bezahlt wird, über die Ausschreibungsmodalitäten und darüber, ob an den vorgesehenen Standorten künftig wirklich Wasserstoff verfügbar sein, sprich das Netz entsprechend ausgebaut wird.

RWE & Co. warten auf Habeck und Brüssel

Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) will seine Kraftwerksstrategie nach der parlamentarischen Sommerpause vorlegen und auf den Weg bringen. Damit seine Gas-Offensive 2024 starten kann und Stromerzeuger wie RWE loslegen können, muss allerdings die EU-Kommission noch zustimmen. Investitionskostenzuschüsse etwa müssen beihilferechtlich genehmigt werden. Habeck sah jüngst nach Annäherungen in Brüssel einen „politischen Durchbruch“, grünes Licht für seine Pläne hat er aber noch nicht.

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RWE hat der Bundesregierung zugesagt, mindestens drei Gigawatt an Gas-Leistung zuzubauen. Als erstes stünde der Standort Weisweiler im rheinischen Braunkohlerevier bereit. Der Essener Dax-Konzern hat den Bauauftrag für das 800-MW-Kraftwerke Ende Juli bereits vergeben, die Investitionsentscheidung aber unter den Vorbehalt gestellt, dass die Politik die regulativen Voraussetzungen schafft. Fertig sein soll es „bis Ende des Jahrzehnts“. Weitere bestehende Kraftwerksstandorte in NRW, Hessen und Bayern seien ebenfalls geeignet, sagte Krebber.

Da es in der Vergangenheit durchschnittlich sieben Jahre vom Antrag bis zur Inbetriebnahme eines Kraftwerks dauerte, wird die Zeit längst knapp. Beschleunigte Genehmigungen sind daher ein wichtiger Bestandteil der Pläne des Ministeriums. Was passiert, wenn es trotzdem nicht schnell genug funktioniert? „Wenn der Neubau der Gaskraftwerke zeitlich so nicht kommt und die alten Kraftwerke nicht am Markt bleiben, verschärft sich das Mengenproblem“, sagte der RWE-Chef. Mit der Konsequenz: „Ohne die Altanlagen werden die Preise dann deutlich steigen.“

Kohleausstieg 2030 in Gefahr

Das wird die Politik auch für die Versorgungssicherheit zu verhindern versuchen. Was bedeuten würde, dass der Kohleausstieg bis 2030 verschoben werden müsste. Das wiederum birgt auch zwei Probleme: Die Kohlekraftwerke würden dann aufgrund steigender CO2-Preise und bei aufgrund steigender Ökostrom-Mengen immer geringeren Laufzeiten schnell unwirtschaftlich. Die Betreiber müssten entweder gezwungen werden, sie trotzdem am Netz zu lassen, oder der Staat müsste weiteres Geld nachschießen. Zweitens würde teurer Kohlestrom auch die Preise treiben.

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Krebber warnt regelmäßig davor, dass Deutschland seine Industrie verliert, wenn es diese Probleme nicht löst. Ein Industriestrompreis, den die Branchenverbände insbesondere der Chemie fordern, „löst das Mengenproblem aber auch nicht“, betonte der RWE-Chef auf Nachfrage. Was helfe, sei ein schnellerer Ausbau der Erneuerbaren und kurzfristig eine Senkung der Steuern und Abgaben auf den Strompreis. Minister Habeck plant einen subventionierten Strompreis für die Industrie von sechs Cent je Kilowattstunde für 80 Prozent des Verbrauchs, der bis 2030 gelten soll. Das verhindert in der Ampel-Koalition bisher die FDP.

RWE investiert neun Milliarden in Grünstrom

In den Ökostrom-Ausbau habe RWE von Januar bis Juni weltweit neun Milliarden Euro investiert, betonte Krebber. Und: „Derzeit errichten wir in zwölf Ländern mehr als 70 Erneuerbare-Energien-Projekte mit einer Gesamtleistung von über sieben Gigawatt – so viel wie noch nie.“ Bis 2030 hat der Dax-Konzern ein Investitionsprogramm von 50 Milliarden Euro aufgelegt. Auch, weil die Börse das goutiert, will RWE sich vom Braunkohle- zum grünen Energiekonzern wandeln.

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Die Vorlage der Halbjahresbilanz geriet am Donnerstag zur Nebensache, weil RWE seinen unerwartet hohen Gewinn bereits Ende Juli verkündet hatte. Vor allem mit seinen Gas- und Wasserkraftwerken verdienten die Essener deutlich mehr als erwartet, konzernweit hat sich der operative Gewinn (Ebitda) auf 4,5 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr als verdoppelt, der Nettogewinn mit 2,6 Milliarden fast verdreifacht.