Düsseldorf. Neuer Uniper-Chef Michael Lewis stellt seine Strategie für den Neustart vor. Den Betrieb von Kohlekraftwerken im Ruhrgebiet will er bald beenden.
Bei einem Schaubild, das der Uniper-Vorstand zum geplanten Kohleausstieg verteilen lässt, befindet sich eine entscheidende Information als Kleingedrucktes unten auf der Seite. Die Voraussetzung, das Ziel bis zum Jahr 2029 zu erreichen, sei ein Verkauf des Kohlekraftwerks Datteln, so wie es Auflagen der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit den milliardenschweren Staatshilfen für Uniper vorsehen. „Wir können und werden die Energiewende beschleunigen“, beteuert Michael Lewis, ein ehemaliger Eon-Manager, der nun seit zwei Monaten Uniper führt. Während Lewis in der Düsseldorfer Konzernzentrale seine erste Zwischenbilanz präsentiert, lässt die Veranstaltungsregie die Pläne für einen Neustart des Unternehmens auf einer Leinwand hinter dem Redepult erstrahlen. Die Stichworte: Wasserstoff, Energiespeicher und CO2-freier Strom.
Vor rund sieben Jahren hat der damalige Eon-Chef Johannes Teyssen die Geschäfte rund um Kohle und Gas aus dem Essener Energiekonzern gedrängt und in Uniper gebündelt. Nun will der ehemalige Eon-Manager Lewis ein „neues Kapitel“ aufschlagen für das zwischenzeitlich schwer angeschlagene und mittlerweile verstaatlichte NRW-Unternehmen.
„Das ist kein Job wie jeder andere“, sagt der Manager zu Beginn seiner ersten großen Pressekonferenz im neuen Amt. Aufbruchstimmung will er verbreiten, nachdem Uniper im vergangenen Jahr noch mit der Existenz gerungen hatte, weil die jahrzehntelangen engen Geschäftsverbindungen zu Russland in rasanter
Geschwindigkeit zusammengebrochen waren. Plötzlich fehlte Deutschlands größtem Gashändler ein entscheidender Teil des Geschäftsmodells: Erdgas aus Russland. Da die Lieferungen ausblieben, musste Uniper zu hohen Preisen Gas zukaufen, um Dutzende Stadtwerke weiterhin beliefern zu können. Die Folge: bis zu 200 Millionen Euro Verlust am Tag.
Dieses Problem sei nun gelöst, betont Uniper-Finanzchefin Jutta Dönges. Seit einigen Monaten entstünden keine Mehrkosten durch die „Ersatzbeschaffung“. Ganz im Gegenteil: Uniper habe sogar hervorragend verdient und einen milliardenschweren Gewinn verbucht.
Mit der neuen Entwicklung werde auch die Belastung für die Steuerzahler geringer ausfallen als zunächst befürchtet, so die Managerin. Die Bundesregierung hatte Unternehmensangaben zufolge ein „Stabilisierungspaket“ im Umfang von 33 Milliarden Euro bereitgestellt. Davon habe Uniper im vergangenen Jahr 13,5 Milliarden Euro in Anspruch genommen. Womöglich überschüssige Beträge wolle Uniper zurückzahlen.
Als Steuerzahler freue er sich, wenn Uniper „schneller als gedacht aus der roten Zone rauskommt“, kommentiert Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Lage bei Uniper. Für die Bundesbeteiligung an Uniper sei allerdings das Finanzministerium zuständig.
Uniper soll nach Verstaatlichung wieder privatisiert werden
Derzeit hält der Bund 99,2 Prozent der Aktien. Mit milliardenschweren Erlösen kann die Bundesregierung noch rechnen, wenn sie den Düsseldorfer Energiekonzern wieder privatisiert. Der Uniper-Vorstand arbeite daran, dass der Konzern wieder „in private Hände“ kommen könne, so Dönges.
Wie sich Konzernchef Lewis den Neustart vorstellt, präsentiert er einen Tag nach einer Aufsichtsratssitzung auch der Öffentlichkeit. Er spricht von einem „Zielbild für Uniper im Jahr 2030“, teils gehen die Ankündigungen aber auch darüber hinaus. Bis 2040 – zehn Jahre früher als bislang geplant – wolle Uniper CO2-neutral sein. Investitionen von mehr als acht Milliarden plane Uniper in den nächsten sechs Jahren für die vorgesehene „grüne Transformation“ des Konzerns. „Bis 2029, das ist in sechs Jahren, werden wir aus der Kohleverstromung aussteigen – acht Jahre früher als geplant“, kündigt Lewis zudem an.
Eine Auflage der EU-Kommission als Voraussetzung für die milliardenschweren Staatshilfen ist, dass Uniper das größte deutsche Kohlekraftwerk in Datteln verkauft – bis spätestens Ende 2026. Nach dem Verkauf werde das dann letzte Uniper-Kohlekraftwerk, die Anlage „Maasvlakte 3“ in den Niederlanden, „spätestens zum Jahresende 2029 vom Netz gehen“, so Konzernchef Lewis.
Betrieb von Kohlekraftwerk „Scholven C“ in Gelsenkirchen soll enden
Uniper-Vorstandsmitglied Holger Kreetz listet auf, was derzeit für die einzelnen Kraftwerksstandorte geplant sei. Mehrere Anlagen sollen demnach schon im Frühjahr kommenden Jahres vom Netz gehen: die Anlage „Staudinger 5“ im Großraum Frankfurt am Main, „Heyden 4“ im Weserbergland sowie „Scholven C“ in Gelsenkirchen. „Irsching 3“, ein Ölkraftwerk, soll bereits Ende des laufenden Jahres den Betrieb einstellen. Denkbar sei allerdings auch, dass die Bundesnetzagentur eingreife, falls bestimmte Kraftwerke weiterhin für eine stabile Versorgung benötigt würden. Die bestehenden Kraftwerksstandorte könnten zum Teil auch für neue „grüne Anlagen“ genutzt werden, sagt Uniper-Manager Kreetz.
Der Verkaufsprozess für Datteln sei noch nicht gestartet, erklärt Finanzchef Dönges auf Nachfrage. Die Auflage zum Verkauf der Anlage in Datteln bleibe im Übrigen auch bestehen, sollte Uniper früher als geplant wieder privatisiert werden.
Derzeit suchen mehrere Ruhrgebiets-Stadtwerke einen Käufer für ihren Energiekonzern Steag, der – ähnlich wie Uniper – mehrere Kohlekraftwerke betreibt, unter anderem an großen Standorten in Duisburg, Herne, im Saarland und im türkischen Iskenderun. Als mögliche Bieter gelten der tschechische Milliardär Daniel Křetínský mit seinem Konzern EPH sowie die spanische Fondsgesellschaft Asterion Industrial Partners.
Ein Ziel: Produktion, Speicherung und Import von Wasserstoff
Angesichts des nahenden Kohleausstiegs setzt Uniper-Chef Lewis insbesondere auf Geschäfte rund um den Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft. Sowohl bei der Produktion als auch beim Import und der Speicherung von Wasserstoff will Uniper mitwirken. Auch am Betrieb von Atomkraftwerken in Schweden halte der verstaatlichte Konzern fest, wie Lewis auf Nachfrage betont, obwohl in Deutschland der Atomausstieg besiegelt ist.
In Europa ist Uniper derzeit einer der größten Gashändler. Allein in Deutschland liefert das Unternehmen eigenen Angaben zufolge jährlich mehr als 200 Terawattstunden Gas an Stadtwerke und Industriekunden – genug, um 22 Millionen Einfamilienhäuser mit Wärme zu versorgen. Zur Frage der künftigen Preisentwicklung für Haushaltskunden sagt der neue Uniper-Handelsvorstand Carsten Poppinga, dass er nicht über die Preisbildung bei den Stadtwerken direkt sprechen könne. „Allerdings nehmen wir an, dass sich die reduzierten Preise, die wir jetzt im Großhandelsmarkt sehen, auch zeitversetzt beim Haushaltskunden zeigen werden.“