Wesel. Vertreter der Kiesindustrie und des Kreises Wesel stellten dem NABU-Landesvorsitzenden Josef Tumbrinck das Konzept für den Lipperandsee vor. Lob für das Projekt, dass "die Tür in die Zukunft aufstößt".
Josef Tumbrinck ist Landesvorsitzender des Naturschutzbundes (NABU) und steht sicher nicht im Verdacht, ein Freund der Kiesindustrie zu sein. Doch das Projekt, das ihm Dr. Gerd Hagenguth, Geschäftsführer der Kiesfirma RMKS, Klaus Lorenz, Vorsitzender der Biologischen Station des Kreises Wesel, und Heiner Langhoff, Projektleiter Naturschutz des Kreises Wesel, mit dem Lipperandsee und dem dafür vorgesehenen Ökokonto erläuterten, bewertete der Gast aus Düsseldorf positiv: „Damit wird die Tür zur Zukunft aufgestoßen.”
Am Verwaltungsgebäude des Auskiesungsunternehmens RMKS (Rhein Main Kies und Splitt) schilderte Klaus Lorenz, was es mit dem Ökokonto auf sich hat. Die gesamte Fläche in der Lippeaue, 110 Hektar groß, geht nach Abschluss der Auskiesungsarbeiten in den Besitz der Biologischen Station über. Die übernimmt damit die Pflichten des Eigentümers, das Gebiet zu entwickeln, es in Ordnung zu halten und zu pflegen. Zu den Rechten gehöre aber, dass diese aufgewerteten Landschaftsflächen als Wertsteigerung einem Ökokonto gut geschrieben werden, über das die Biologische Station verfügen kann.
Marktwert eine Million
Für das gesamte Gebiet des Lipperandsees - der wird nach dem Ende der Auskiesung allein 45 Hektar groß sein - macht das 600 000 Ökopunkte aus, die einen derzeitigen Marktwert von rund einer Million Euro haben. Diese Ökopunkte kann die Biologische Station verkaufen. Und zwar an diejenigen, die durch Baumaßnahmen Eingriffe in die Natur vornehmen. Das könne die Bahn AG (Beispiel Betuwe) ebenso sein wie der Landesbetrieb Straßenbau, zählte Lorenz mögliche „Geschäftspartner” auf. Mit dem aus dem Verkauf erzielten Mitteln könne die Biologische Station wiederum neue Vorrangflächen für den Naturschutz kaufen. Dass somit Naturschützer und Kiesunternehmen in einem Boot sitzen könnten, hätte auch bei den Mitgliedern zunächst für Stirnrunzeln gesorgt, gab der Vorsitzende zu. „Doch was wir hier erarbeitet haben, ist ein erster guter Schritt in die richtige Richtung und stellt eine wirtschaftliche Alternative dar. Keiner der beteiligten Partner muss der Verlierer sein”, versicherte Lorenz.
Biologische Station
Die Finanzierung der Biologischen Station steht mit diesem Ökokonto auf einem besseren Fundament, stellte Landrat Dr. Ansgar Müller fest, der den Termin in der Lippeaue dazu nutzte, den NABU-Landesvorsitzenden Josef Tumbrinck über diese „Schaffung gesellschaftlicher Mehrwerte” zu informieren.
Greifvogelstation
Zwei „Naturhighlights” aus dem Kreis Wesel wollte Landrat Dr. Ansgar Müller seinem Gast Josef Tumbrinck präsentieren. Neben dem Besuch im RMKS-Kieswerk stand deshalb auch der Besuch der Greifvogelstation in der Schillkaserne auf dem Programm- Seit 25 Jahren kümmert sich dort Karl-Heinz Peschen, passionierter Falkner und Naturschützer, um die Tiere, die in seine Obhut gegeben werden. Auch Zoll, Polizei und Artenschutzbehörde kennen die Adresse und liefern dort sichergestellte Greifvögel ab. Im Verlauf der 25 Jahre sind mehr als 8000 Tiere versorgt worden.
Schon in zwei bis drei Jahren werde die RMKS die ersten Flächen an die Biologische Station übergeben, kündigte Geschäftsführer Hagenguth an. Sukzessive kämen die weiteren Bereiche dazu. Insgesamt sind 30 Jahre für das Ausschöpfen der Kiesvorräte in der Lippeaue vorgesehen. Erste Aufforstungen habe das Unternehmen bereits vorgenommen. So wurde eine Fläche von 1,8 Hektar im Frühjahr schon mit Stieleichen, Hainbuchen und Streuobstwiesen gestaltet. Wie sich die jungen Pflanzen entwickelt haben, schauten sich die Besucher anschließend vor Ort an.
Eine öfentliche Freizeitnutzung des Geländes schlossen Hagenguth und Lorenz aus. Schon jetzt seien entsprechende Vorkehrungen getroffen worden. Die Biologische Station denke über eine mögliche Verpachtung an Jäger und vielleicht eine Nutzung durch Angler nach, sagte Klaus Lorenz.