Wesel. . Im neuen Kompetenzzentrum Autismus an der Pergamentstraße in der Weseler Innenstadt finden nicht nur Betroffene, sondern auch Angehörige und Vertreter von Schulen, Kindertagesstätten oder Arbeitgeber Hilfe.

Ein junger Mann, der grundsätzlich an der Türschwelle stehen bleiben und einen Raum erst komplett „scannen“ muss, bevor er ihn betritt. Ein Schüler, der nicht ertragen kann, wenn im Klassenraum die Wanduhr ein wenig schief hängt oder die Vorhänge nicht richtig aufgezogen sind. Oder ein Kleinkind, das keinen Blickkontakt zu seinen Eltern aufnimmt, nicht sprechen lernt und keine Berührungen duldet. Verhaltensweisen wie diese wirken auf Außenstehende erst einmal seltsam und befremdlich.

Ausdrucksformen einer Störung

Sie alle sind Ausdrucksformen einer Störung, von der Schätzungen zufolge sechs bis sieben von 1000 Kindern in Deutschland betroffen sind: Autismus. In Wesel gibt es für Betroffene, Angehörige und andere Menschen, die mit Autisten zu tun haben, nun einen neuen Anlaufpunkt.

Antrag auf Förderung

Die Lebenshilfe Unterer Niederrhein hat für ihr neues Kompetenzzentrum Autismus in der Innenstadt einen Antrag auf Förderung bei der „Aktion Mensch“ gestellt.

Es könne einige Zeit in Anspruch nehmen, bis es eine Antwort gebe, sagt Geschäftsführerin Verena Birnbacher. „Wir sind aber guter Dinge und gehen von einer positiven Antwort aus.“

Die Lebenshilfe Unterer Niederrhein eröffnete in den Räumen an der Pergamentstraße 9 das „Kompetenzzentrum Autismus“. Geleitet wird es von Jens Kremers. Christin Jenske übernimmt die verwalterischen Aufgaben. Drei Säulen möchte Kremers im Kompetenzzentrum aufbauen: Angeboten werden Therapiemaßnahmen für Betroffene, Beratung für Eltern oder Institutionen wie Kindergärten oder Firmen, sowie Fortbildungen. Denn, so betont Gisela Lücke-Deckert, Vorstandsmitglied der Lebenshilfe Unterer Niederrhein, das Wichtigste im Umgang mit autistischen Menschen sei es, ihr für Außenstehende oft seltsam anmutendes Verhalten zu verstehen. „Gerade, wenn betroffene Kinder Regelkindergärten oder -schulen besuchen, ist das unerlässlich.“

Doch dieses Verstehen ist nicht immer leicht, weiß Fachmann Jens Kremers. „Denn es gibt keine typischen Symptome, die bei allen Betroffenen gleich sind“, sagt der 33-Jährige. „Autismus äußert sich bei jedem anders, und es gibt eine große Bandbreite im Hinblick auf die Ausgeprägtheit.“

Lebenslanger Förderbedarf

Autismus sei keine Krankheit, die durch die passende Therapie geheilt werden könne, erklärt Lebenshilfe-Geschäftsführerin Verena Birnbacher. „Die Diagnose bedeutet einen lebenslangen Förderbedarf.“ Daher sei es gut, wenn Eltern, andere Angehörige und das Umfeld frühzeitig lernen, mit der Störung und den Verhaltensweisen der Betroffenen umzugehen.

Um eine möglichst individuelle Förderung zu erreichen, bietet Jens Kremers nicht nur Therapiemaßnahmen in den Räumen an der Pergamentstraße an, sondern auch zu Hause, in der Schule oder am Arbeitsplatz. „Eben genau dort, wo Hilfe notwendig ist.“