Wesel. .

Ganz früh am Morgen sind die Chancen am größten. Dann kommt es bei einem Spaziergang durchs Diersfordter Wildgatter mit ein bisschen Glück auch schon mal zu einer Begegnung mit Wildschweinen, Rehen oder Mufflons.

Tagsüber ist das eher selten der Fall, sagt Hans Glader von der Biologischen Station, der mit einer naturinteressierten Gruppe den frühlingshaften Wald erkundet. Gestartet wird am südlichen Eingang, direkt am Hundeplatz. Von dort führt ein Rundweg durch das Areal, das eine Menge zu bieten hat, wenn man es denn weiß. Und Glader weiß einiges, was dem Besucher sonst verborgen bleibt.

Fakten und Hintergrund

Der Parkplatz am südlichen Eingang befindet sich nahe der Kreuzung Emmericher Straße/Bislicher Straße am Hundeplatz. Hier steht eine Tafel, die unter anderem auch auf die verschiedenen Strecken im Gatter hinweist.

Der längste Rundweg führt über 6,5 Kilometer. Außerdem können Strecken von 2,7, 3,4 und 4,3 Kilometer gewählt werden. An den Wegen gibt es zwei hölzerne Beobachtungskanzeln mit Erläuterungen und einen reizvollen Holzbohlenweg durch eine Moorlandschaft. Der nördliche Eingang ist an der Straße „Bislicher Wald“ zu finden.

Entstanden ist der Bereich in der Eiszeit. Die Dünen wurden aus dem Flugsand nahe des Rheins geformt. Der Diersfordter Wald gehört zum europäischen Schutzgebietsnetz Natura 2000. Hier findet sich eine besondere biologische Vielfalt wieder, ein Teil des europäischen Naturerbes.

Es geht durch zwei Metallschleusen mit jeweils zwei Türen, die wie Käfige wirken. Sie zu öffnen kostet ein bisschen Kraft, denn sie sorgen dafür, dass das Wild im eingezäunten Gatter bleibt. Momentan blühen die Buschwindröschen hier zuhauf, bilden einen grün-weißen Teppich über dem weichen Waldboden. Ein Stückchen weiter kann die Sonne ungehindert scheinen, denn hier wurden kürzlich jede Menge Nadelhölzer, vor allem Fichten und Douglasien, gefällt. Das ist Teil des EU-Programms „Bodensaure Eichenwälder“, die hier eigentlich beheimatet sind und ausgeweitet werden sollen. Jetzt sprießen auf der Lichtung jede Menge Birken und entfalten ihr zartes Grün. Kein Problem, sagt Glader, handelt es sich doch um einen Pionierbaum, der als erster Freiflächen erobert. Bald werden sich Eichen breit machen.

Es ist ein seltener Lebensraum, der hier gepflegt wird. In ganz Europa gibt es nur sehr wenige solcher Landschaften, in denen sich zum Beispiel der Hirschkäfer wohlfühlt. Ein Stückchen weiter grünt noch nichts. Eichen sind immer spät dran und so wirken die 100 bis 150 Jahre alten Bäume, als sei man gerade vom Frühling in den Herbst geraten. Der Hirschkäfer braucht alte Bäume und er braucht auch totes Holz, das ganz bewusst liegen gelassen oder gar eingegraben wird. Fast alle Spechtarten kommen hier vor - bis auf den Grauspecht. Denn sie finden im Totholz, das für viele Insekten ideal ist, die nötige Nahrung.

Vor ein paar Jahren haben Biologen außerdem einen neuen Gast entdeckt, der mittlerweile heimisch ist: den Mittelspecht, der alte Bäume mit großporiger Rinde bevorzugt. Ein von ihm geschaffenes kreisrundes Loch in einer Eiche ist vom Weg aus zu sehen. Der Baummarder ist in diesem Wald zu Hause. Löcher in einem Baumstumpf zeugen davon. Fledermäuse mögen das Areal auch sehr.

Es ist später Nachmittag, die meisten Vögel scheinen mit der Nahrungssuche beschäftigt zu sein. Also zückt Glader sein Handy und sorgt für naturnahe Atmosphäre. Dort hat er nämlich viele Vogelstimmen parat, selbst aufgenommen, so wie die des Baumpiepers.

Dass der Diersfordter Wald in grauer Vorzeit ein Hudewald war, wo Schweine gehalten wurden, lässt sich an manchem Baum noch gut erkennen. Ein besonders mächtiges Exemplar zeigt Hans Glader. Die Menschen sorgten damals dafür, dass die Bäume eine möglichst große Krone bekommen. Denn dann gab es mehr Bucheckern oder Eicheln fürs Vieh, das hier weidete.

Und plötzlich tauchen sie doch noch auf, etwa 25 Rehe, die uns zunächst aus dem Wald heraus beäugen und dann ganz schnell die Wegseite wechseln. Das Wildgatter macht seinem Namen eben manchmal auch tagsüber alle Ehre...