Hamminkeln. Die Zeiten sind hektischer geworden, die Bürokratie wächst, sagt der Hamminkelner Verwaltungschef Holger Schlierf. Dennoch ist er, der am Mittwoch 60 wird, gerne Bürgermeister.
60 Jahre und kein bisschen weise, hat Curd Jürgens gesungen und mit diesem Alter kokettiert. Davon ist Holger Schlierf weit entfernt, wenn er am Mittwoch diese Zahl erreicht. Übergehen wird er sie aber nicht. Eine „etwas größere Feier“ werde es schon geben, sagt er. Mit Kolleginnen und Kollegen der Stadtverwaltung, mit Politikern. „Nach Dienstschluss“, betont er.
Wieder so eine runde Zahl, vor denen manchen graut. Ü 50 sei ja schon Seniorensport, aber bei 60, meinen viele, fange das Alter nun wirklich an. Es sei die letzte Null vor der Pension. „Im Moment fühl’ ich mich noch ganz fit“, sagt Holger Schlierf. Schließlich sei er juristisch geschult. „Als Anwalt hat man die Dinge zu lösen, die nicht glatt laufen. Ich halte das aus.“
Obwohl man nicht übersehen könne, dass „die Zeiten immer hektischer“ werden, das Rad sich immer schneller drehe. Das sei nicht nur das subjektive Empfinden eines Menschen, dessen Belastbarkeit natürlicherweise nachlasse, das sei objektiv so. „Das sagen auch die jungen Leute.“ Die neuen Formen der Kommunikation sorgten schon dafür.
Dienstanweisungen en masse
Was sich trotz vielfacher, auch internationaler Angleichungsprozesse grundsätzlich nicht geändert hat, ist die Bürokratie. „Wer soll die ganzen Dienstanweisungen noch lesen?“, fragt Holger Schlierf und beklagt eine Überbürokratisierung.
Aber er hat ja in die Verwaltung gewollt. Eigentlich wollte er Stadtdirektor werden. Den gab es dann nicht mehr, als das Amt des Bürgermeisters zum Doppeljob zwischen Verwaltungschef auf der einen, Repräsentant und möglichst allgegenwärtiger Kümmerer auf der anderen Seite gemacht wurde. Also wurde er, über den Umweg des Dezernenten, Bürgermeister.
Manche haben ihm das nicht so recht zugetraut. Zu zurückhaltend, zu nüchtern, zu wenig eloquent fanden sie ihn. Holger Schlierf musste in das Amt hineinwachsen. Und er ist hineingewachsen. Nach 13 Jahren wissen alle, dass seine vermeintlichen Defizite in Wahrheit seine Stärken sind: Seine uneitle ruhige Sachlichkeit tut nicht zuletzt der Politik in der Stadt gut. Sein trockener Humor holt sie ein ums andere Mal zurück in den menschlichen Alltag.
Er sei „nicht der Meinung, dass ich bei meiner Berufswahl was falsch gemacht habe“, sagt Holger Schlierf. Im Gegenteil: „Ich habe den interessantesten Job der Welt.“ Die vielen Kontakte zu vielen Menschen sind wertvoll für ihn - auch in Netzwerken mit anderen Kommunen „bis ins Münsterland oder die Niederlande“. Er sei „ein Fan von Kooperationen“, sei es das Leader-Projekt oder auch die kommunale Gemeinschaft zur weniger erfreulichen Betuwe-Materie, deren Sprecher er ist.
Tatsächlich ein kleines bisschen emotional blickt er zurück auf das, „wo man überall mitdrehen konnte“. Darauf zum Beispiel, dass er Beauftragter in Sachen Euro-Einführung war und gar fürs Millennium zuständig. Noch heute ein fester Begriff in Hamminkeln: die Dreier-Lösung, die er mit anderen für Schule, Sport und Jugend hingekriegt hat. Oder NKF. Es gäbe vieles mehr. Was noch kommt? Und ob er 2015 erneut antritt? Motto: Schau’n wir mal.
Wenig Zeit für die Familie
Zu kurz gekommen ist bei all dem die Familie. Dreimal im Jahr, meint er, sei ein rein privater Besuch einer Kulturveranstaltung möglich. So wie jetzt in der Philharmonie in Essen. „Das muss man sich lange vornehmen.“ Und Fixpunkte setzen: Jährlich Berlin und die Wanderung mit ehemaligen Studienkollegen.
Kein Klagelied will Holger Schlierf singen, jetzt, wo er 60 wird. Dass er außer Ehefrau und drei Kindern einen zweijährigen Enkel hat, ist für ihn „ungeheuer schön“. Da müsse man einfach zusehen, „dass man ein bisschen Zeit dafür hat“. Zeit natürlich auch für eine Familienfeier am Wochenende.