Wesel. Wesel ist noch lange nicht im EM-Fieber, auch in Geschäften werden Fanartikel kaum nachgefragt. Was die Stimmung jetzt noch retten könnte.
Gerade einmal anderhalb Wochen dauert es noch, dann beginnt die Fußball-Europameisterschaft der Herren. EM im eigenen Land – das weckt an Erinnerungen an 2006, an wehende Fahnen, Autokorsos und Menschenmassen mit jeder Menge schwarz-rot-goldener Fanartikel. Doch in Wesel ist von Fußballfieber aktuell noch wenig zu spüren. Einsam weht hier und da zwar eine Flagge an Fenster oder Balkon, doch von der Euphorie, die es einst beim Sommermärchen 2006 gab, fehlt bislang jede Spur.
Wenig Nachfrage nach Fan-Artikeln
Das zeigt sich auch in den Geschäften, die sonst bei großen Turnieren üblicherweise Fußball-Fan-Artikel im Sortiment haben. „Das ist ganz wenig, dass die Leute danach fragen“, berichtet etwa Heike Biermann, die bei Tedi an der Brückstraße arbeitet. Hier gibt es dieses Jahr nur wenige EM-Aktionsartikel und auch bei Woolworth oder im Euroshop ist das Angebot in Schwarz-Rot-Gold überschaubar, auf eine Handvoll Klassiker wie Blumenketten, Autofahnen oder Hüte beschränkt und an wenig prominenten Stellen platziert. Einzig bei Nanu-Nana scheint eine gewisse Fanstimmung vorzuherrschen. Hier gibt es immerhin eine ganze EM-Wand, an der neben den Accessoires in Landesfarben auch Zubehör für das passende Getränk zum Spiel hängt, darunter zum Beispiel Bierschnorchel oder die „Männerhandtasche“, um das Sixpack sicher zu transportieren.
Und auch was die Chancen der Mannschaft beim herannahenden Turnier angeht, ist man hier zumindest vorsichtig optimistisch. „Ich glaube, dieses Jahr wird das was“, meint zum Beispiel Verkäuferin Delia Dahlmann. Und auch Kundin Nina Köhler (18), die sich selbst zwar nicht als großen Fußball-Fan bezeichnet, aber gern mit Fanartikeln fürs Foto posiert, rechnet der Nationalmannschaft nicht die schlechtesten Chancen aus: „Ich sag mal: Viertelfinale.“
Passanten glauben nicht an EM-Titel für Deutschland
In der Fußgängerzone allerdings schwanken die meisten Passanten am Dienstagmittag der herannahenden EM zwischen Desinteresse und Pessimismus. „Die spielen ja gerade wieder ein bisschen besser, aber ob das für den Titel reicht? Glaube ich nicht“, findet zum Beispiel Michael Rüssmann. Ansehen will er sich die Spiele zwar schon, im Moment herrscht aber noch „null Stimmung“. Ganz ähnlich äußert sich Passant Norbert (77), der seinen Nachnamen nicht verraten will: „Ich war eigentlich schon guten Mutes“, sagt er mit Blick auf die beiden vorletzten Spiele der deutschen Elf, doch nach dem 0:0-Unentschieden gegen die Ukraine am Montagabend sei das nun wieder vorbei. Ob Deutschland Chancen auf den Titel hat? „Da glaub‘ ich weniger dran“, so der Senior bedauernd: „Der Geist der zwei Spiele war nicht wiederzuentdecken.“
Fußball-Experte sieht Parallelen zum Sommermärchen
War es das also, zumindest stimmungstechnisch, mit der Neuauflage des Sommermärchens? Nein, glaubt Radiomoderator und als Fußball-Experte Sebastian Falke, der als „Netzer vom Niederrhein“ bekannt ist: „Es gibt Parallelen zu 2006“, erklärt er, „da sind wir auch nicht mit einem Top-Team angetreten und es war auch schlechtes Wetter Anfang Juni“, zählt er auf. Außerdem habe es auch schon vor 18 Jahren eine Stimmungsflaute gegeben, kurz vor dem großen Turnier. Nämlich als die Mannschaft ein paar Wochen vor WM-Beginn 4:1 gegen Italien verlor. Sebastian Falke ist deshalb auch für die diesjährige Heim-EM guten Mutes: „Ich bin sicher, gerade, wenn das Wetter mitspielt und wir das erste Spiel gewinnen, dass dann die Stimmung sehr gut wird“, so Falke. Auch werden dann, so glaubt er, wieder viele Menschen mit Fähnchen am Auto fahren und an Spiel-Abenden die Kneipen füllen.