Wesel. Der Stadtrat beschließt mehrheitlich den Haushalt für 2024 mit einer Lücke von fast 22 Millionen Euro, die aus den Rücklagen ausgeglichen wird.
„Der Haushalt bereit uns allen Schmerzen und kaum Freude“. Dieser Satz aus der Rede von CDU-Fraktionschef Jürgen Linz könnte die Quintessenz aller Stellungnahmen des Weseler Stadtrates sein. Einen Haushalt mit einem Defizit von fast 22 Millionen Euro zu beschließen, ist eben keine Spaßveranstaltung. Zumal Wesel zuletzt immer noch relativ gut dagestanden hatte, wo andere Kommunen schon über die Haushaltssicherung redeten.
Nun droht diese in den kommenden Jahren auch in der Kreisstadt. In ihrer Bewertung der Ursachen waren sich die Ratsmitglieder jedoch nicht einig: Während CDU, SPD, Grüne und FDP vor allem die chronische Unterfinanzierung der Kommunen durch Bund und Land beklagten, gab die Wählergemeinschaft WfW den Akteuren vor Ort zumindest eine Mitschuld. Die Linke bemängelte, dass die Einsparungen besonders die Ärmsten treffen. Beide stimmten als einzige gegen den Etat.
Zuvor hatte Kämmerer Klaus Schütz nochmals klargestellt, warum die Finanzplanung in den Miesen steckt – obwohl diese formal als ausgeglichen gilt. Denn die Lücke von 21,5 Millionen Euro kann mithilfe von Rücklagen ausgefüllt werden. Steigende Energie- und Baukosten, höhere Personalkosten durch Tarifabschlüsse und auf der anderen Seite die Folgen der Beschlüsse von Bund und Land, die die Stadt über 30 Millionen Euro kosten, plus eine hohe Kreisumlage nannte Schütz unter anderem als Ursachen für die Finanzmisere.
Haushaltsbeschluss in Wesel: „Erfüllungsgehilfen von Bund und Land“
Jürgen Linz betonte in seiner Haushaltsrede, dass den Kommunen immer mehr Aufgaben aufgebürdet, aber nicht erstattet werden. Er versicherte, die Anhebung der Steuern und die Streichungen bei freiwilligen Leistungen sei allen Beteiligten nicht leicht gefallen. Dennoch nahm er den Verzicht auf die Förderung diverser Sozialprojekte in Höhe von 500.000 Euro für 2024 in Schutz: Man müsse die Projekte daraufhin prüfen, ob sie wirklich Armut und Vereinsamung bekämpfen könnten, und gleichzeitig Ehrenamt und Vereine stärken. Die Haushaltskonsolidierung lasse der Stadt zumindest einige wenige Freiheiten. Und: „Es war noch nie so wichtig, Bund und Land in die Pflicht zu nehmen“, sagte er zum Beispiel mit Blick auf die Kosten für die Aufnahme von Geflüchteten.
In die gleiche Kerbe schlug Ludger Hovest (SPD), der die Kommunalpolitik zu „Erfüllungsgehilfen von Bund und Land“ erklärte. Er hob hervor, dass die Stadt fast 50 Millionen Euro angespart hat, die nun den formellen Ausgleich sichern, und betonte, dass bei den 100 Millionen Euro, die künftig für das Schulbauprogramm vorgesehen sind, nicht gespart werden dürfe. Ebenso hob er den geplanten Innovationscampus anstelle der Niederrheinhalle in Kooperation mit Hochschulen und Unternehmen als „gut und richtig“ hervor.
Hovest nahm auch den SPD-Vorschlag zu Arbeitsangeboten für Asylbewerber in Schutz – er wird wie berichtet von den Jusos kritisiert. „Wenn den Leuten die Decke auf den Kopf fällt, passiert so etwas wie auf der Trappstraße“, sagte er mit Blick auf dortige Brände. Für das Heubergbad-Gelände werde der Bauverein einen Vorschlag für eine Neubebauung machen. Allerdings müsse, so mahnte Hovest, dringend etwas gegen die Drogenszene unternommen werden.
Zwei Fraktionen stimmten gegen den Weseler Haushalt
Ulrich Gorris (Grüne) räumte ein, dass ihm besonders Einsparungen beim Klimaschutz weh getan hätten. „Wir werden die Ziele nicht aufgeben, auch wenn wir es im Moment nicht schaffen.“ Man müsse sich derzeit auf Maßnahmen konzentrieren, die den größten Effekt haben wie die Wärmeplanung und Energiecontrolling. Michael Oelkers (FDP) kritisierte, dass die Gestaltungsmöglichkeit der Kommunen gegen null tendiere, die Pro-Kopf-Verschuldung drastisch steige und verteidigte die Steuererhöhung: „Wir sind gezwungen, den Bürgern weh zu tun“. Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive sollten nicht den Kommunen zugewiesen werden, forderte er. Mit Blick auf die Bebauung anstelle des Heubergbades wiederholte er die Forderung nach einer Bürgerbeteiligung.
Thomas Moll machte die fehlende Mittelfristplanung für das hohe Defizit mitverantwortlich und kritisierte, es werde zu viel für Freizeiteinrichtungen ausgegeben. Als Beispiel nannte er das Rheinbad (45 Millionen Euro), das mit der Buslinie, der Mobilstation und der Verlegung des Minigolfplatzes erhebliche Nebenkosten mit sich gebracht habe. Die Verschuldung der Stadt werde sich in den zehn Jahren von 2018 bis 2027 um fast 250 Millionen Euro erhöhen. „Wir sind viel näher an der Haushaltssicherung als es der Haushaltsentwurf für 2024 und die Folgejahre aussagt.“ Er beklagte auch hohe Planungskosten, etwa für die Hansaringschule. „So kann man mit Steuermitteln nicht umgehen.“
Die WfW lehnte den Haushalt ebenso wie die Linke ab. Barbara Wagner nannte den Verzicht auf die Förderung sozialer Projekte und auf Klimaschutzmaßnahmen „einen falschen Weg“ und zeigte sich auch mit dem auf 30.000 Euro gekürzten Zuschuss für Reparaturen auf Spielplätzen sowie mit der Kürzung für die Bibliothek unzufrieden. Klimaschutzmaßnahmen für ein paar Jahre auszusetzen, sei „fatal“. Um die Finanzprobleme zu lösen, hätten sich die Regierungsparteien bei den Kollegen in Bund und Land um Hilfe bemühen können. Einzelkämpfer Marcel Schoierer (Die Partei) stimmte dem Haushalt dagegen zu.