Wesel. Bettina Gawron ist ratlos. Plötzlich verstößt der Schriftzug an ihrem Juwelier-Geschäft gegen die Gestaltungssatzung. Er hängt seit Jahren dort.
Über den Schaufenstern des Juweliergeschäfts Fine Art an der Hohen Straße sieht es ziemlich grau aus. Dort, wo bei anderen Läden der Werbeschriftzug Kunden anlocken soll, kann man auf verwittertem Holz nun den blassen Schriftzug einer Kneipe erahnen, die es hier früher gab. „Das sieht aus wie eine Geschäftsaufgabe“, ärgert sich Inhaberin Bettina Gawron. Sie hat den Geschäftsnamen über ihrem Laden in der vergangenen Woche nach Aufforderung der Stadt entfernen müssen, obwohl er seit der Eröffnung des Geschäftes im Jahre 2011 an dieser Stelle hing. Laut Stadt verstieß er gegen die Gestaltungssatzung für die Innenstadt. Die Weselerin ist sauer. Denn der Schriftzug war teuer, nun muss sie über ein Fachunternehmen einen neuen gestalten lassen und finanzieren: „Mir erschließt sich nicht, wie man nach so langer Zeit mit so einem Schrieb um die Ecke kommen kann.“
Der angesprochene „Schrieb“ erreichte Bettina Gawron Mitte Januar überraschend: Darin erklärte die Verwaltung der Betreiberin auf mehreren Seiten, dass der Namensschriftzug über ihrem Eingang nicht in Einklang mit der Gestaltungssatzung steht und abmontiert werden muss. Kurz gesagt ist im Rathaus negativ aufgefallen, dass die sogenannte Werbeanlage die Außenkanten der darüberliegen Fensterfront an beiden Seiten überragt. Das darf nicht sein, heißt es. Auch läge keine Baugenehmigung für den Schriftzug vor.
Die Geschäftsfrau staunte nicht schlecht. Denn seit 13 Jahren gibt es den Laden samt Schriftzug in Wesel, nie hat sich jemand daran gestört. Ihr Sohn habe das Geschäft damals eröffnet, 2014 habe sie es übernommen, erklärt Bettina Gawron. Sie habe nun bei der Stadt nachgefragt, berichtet sie der NRZ: Damals sei sehr wohl ein Bauantrag für die Werbung gestellt worden. Über den ist auch entschieden worden, habe ihr ein Mitarbeiter der Stadt erklärt. Allerdings negativ. Es sei damals im Anschluss wohl versäumt worden, dem Geschäftsbetreiber die Ablehnung mitzuteilen. „Man sagte mir, es sei im Sande verlaufen“, berichtet sie. Also wurde die Beschilderung installiert und fiel 13 Jahre lang niemandem unangenehm auf.
Auch Imbissbetreiber musste seinen Schriftzug entfernen
Nun bemüht sich die Geschäftsfrau um ein neues Aushängeschild für ihr Geschäft. 2000 Euro hat sie schon für die Demontage des alten Schriftzuges und die Neuplanung ausgegeben. Dazu kommen die Kosten für die Neuanfertigung. Das Problem: Über dem Geschäft befindet sich ein holzverkleideter Betonsturz, der nicht wie bisher in die Werbeanlage einbezogen werden darf. Eine Fachfirma hat einen Entwurf erstellt, in dem der Betonsturz und die Flächen neben der Schrift farblich passend zum Klinker gestaltet werden. Der Vorschlag liegt bei der Stadt, Bettina Gawron hofft auf einen schnellen Bescheid. Der jetzige Zustand ist für sie geschäftsschädigend. „Das macht mich mega traurig. Wir haben doch alle schlimme Zeiten hinter uns“, sagt sie mit Blick auf die Corona-Phase. „Anstatt etwas für uns zu tun, legt man uns Steine in den Weg.“
Sie ist übrigens nicht die einzige Ladenbesitzerin, die in Konflikt mit der Gestaltungssatzung für die Innenstadt geraten ist. An der Brückstraße steht das Schnellrestaurant „Charly‘s Burger und Sweets“ kurz vor der Eröffnung. Schon während der Umbauzeit im vergangenen Jahr hatte Inhaber Alkan Karacali den neuen Schriftzug über dem Ladenlokal aufgehängt. Er musste ihn ebenfalls wieder abnehmen, weil er gegen die Regeln der im September 2023 überarbeitet in Kraft getretenen Satzung verstieß. Mehrere tausend Euro waren futsch. Ärgerlich für den neuen Betreiber, Karacali will nun erst einmal ohne Schriftzug starten.