Hamminkeln. Exklusiv für 60 Leserinnen und Leser der NRZ hat Karikaturist Thomas Plaßmann im Schloss Ringenberg gezeichnet und geplaudert.
„Thomas Plaßmann zeichnet für Sie“, hieß es kürzlich auf der Kulturseite der NRZ. Rund 440 Leserinnen und Leser bewarben sich, sechzig wurden ausgelost und saßen nun am Montagabend im Rittersaal von Schloss Ringenberg, um den NRZ-Karikaturisten persönlich kennenzulernen. Sie waren aus Essen, Emmerich, Rheinberg und sogar Carolinensiel angereist, weil sie wissen wollten, wie die so beliebte tägliche Karikatur oben auf der Seite 4 ihrer Tageszeitung entsteht.
Dass Plaßmann zeichnen kann, das wussten sie. Dass der sechzigjährige Essener auch ein großartiger Erzähler ist, erfuhren sie bei Quarkbällchen, Sekt oder Selters. Normalerweise zeichnet der mit vielen Preisen geehrte Karikaturist ganz altmodisch mit Feder und Tusche, doch auch mit schwarzem Filzstift zaubert er in Sekunden einen Kopf auf den Flipchart. Und lässt das Publikum raten, wen er da gerade zeichnet: Schon nach wenigen Strichen werden Helmut Kohl, Theo Waigel oder Putin erkannt. Weil Plaßmann sich auf die wesentlichen Merkmale konzentriert – Kopfform, Augenbrauen, Nase.
„Auch Angela Merkel konnte man gut zeichnen“ verrät er, „da bedauert man aus zeichnerischer Sicht, dass sie jetzt Kartoffelsuppe in der Uckermark zubereitet.“ Christian Lindner sei da eher eine Herausforderung: „Es wäre schön, wenn er sich eine Brille zulegte“, meint er augenzwinkernd. Natürlich könne er nur Politiker und Politikerinnen zeichnen, die die Menschen auch kennen.
Thomas Plaßmann: „Karikatur ist mehr als Illustration“
Bevor Plaßmann zur Feder greift, informiert er sich erst einmal, was gerade aktuell ist und nach einer Karikatur schreit. Denn nur selten schlägt die NRZ-Redaktion ein Thema vor. Vielmehr schickt er jeden Tag zwei bis drei Zeichnungen zur Auswahl. Spätestens um 15 Uhr. Wegen des Redaktionsschlusses. Auf die Frage eines Lesers, ob ihm da auch schon mal die Ideen fehlten, verrät er: „Wer es nicht schafft, unter Zeitdruck etwas zu Papier zu bringen, der kann kein Zeitungskarikaturist sein.“
Wenn er weiß, welche Themen er anbieten will, muss er überlegen, was er selbst darüber denkt: „Karikatur ist mehr als Illustration, sie ist immer auch Stellungnahme und Kommentar“, erläutert er. Wie viel Verantwortung damit verbunden ist, wurde ihm spätestens klar, als 2005 ein weltweiter Streit um Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Regionalzeitung entbrannte. Und erst recht, als 2015 ein Kollege, den er kurz zuvor kennengelernt hatte, bei dem Terroranschlag auf das Büro der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo ermordet wurde.
Zwölf Menschen, darunter fünf prominente Karikaturisten, starben. Auch da ging es um Mohammed-Karikaturen. „Das war das einschneidendste Erlebnis in vielen Jahren“, erinnert er sich. Man müsse sich nicht nur fragen, ob man mit seiner Arbeit die eigene Familie in Gefahr bringt, sondern auch „ob Tabubrüche erforderlich sind und wo das Publikum seine Grenzen hat“.
Karikaturist ist ein einsamer Job im stillen Kämmerlein
Die Umsetzung des Themas ist dann der letzte Schritt. Auch da plaudert Plaßmann aus dem Nähkästchen, natürlich mit Beispielen am Flipchart. Eine Schnecke etwa signalisiert Langsamkeit. Eine Eieruhr, mit einem Minister in Verbindung gebracht, legt die Vermutung nahe, dass dessen Stunden im Amt gezählt sind. Zuletzt schreibt er dann seine kurzen Texte hinein. Wobei eine Karikatur, die keines Textes bedarf, sondern für sich spricht, das Beste sei, „aber das geht nicht immer“, räumt er ein.
Karikaturist – das sei ein einsamer Job im stillen Kämmerlein und da fehle manchmal das Feedback. Nur selten bekomme er Leserbriefe, und vor allem, wenn die Menschen sich ärgern. Umso mehr freut sich Plaßmann darüber, Leserinnen und Leser zu treffen: „Kontakt mit dem Publikum ist sehr befriedigend“, sagt er. Und erst recht, wenn ihm ein Leser zum Abschluss bescheinigt, er schaffe es jeden Morgen, ihm zum Schmunzeln oder sogar zum Lachen zu bringen.
Hintergrund: Das ist NRZ-Karikaturist Thomas Plaßmann
Thomas Plaßmann wurde 1960 in Essen geboren. Er hat Geschichte und Germanistik studiert und eine Tischlerlehre gemacht, bevor er 1987 als Zeitungskarikaturist begann. Er ist Autodidakt. Eine Kunstakademie hat ihn als zu karikaturistisch abgelehnt. Zuletzt wurde eine AFD-Karikatur von ihm mit dem begehrten „Rückblende“-Karikatur-Preis 2018 belohnt. Plaßmann arbeitet für die NRZ und Tageszeitungen in anderen Regionen, z.B. die Berliner Zeitung oder die Frankfurter Rundschau. Außerdem bedient er den SPIEGEL, Kirchenzeitungen und Fachblätter. Er zeichnet im Jahr rund 1000 Karikaturen und hat etwa ein Dutzend Bücher veröffentlicht.