Wesel. Am Samstagabend sind die Weihnachtstrecker durch Wesel gefahren. Besucher reagierten mit Unverständnis auf Kritik an der Aktion.
Eine wahre Völkerwanderung war am Samstagabend in Richtung Hafen unterwegs. Hier starteten mehr als 30 Landwirte mit ihren weihnachtlich geschmückten Traktoren den Lichterzug „Ein Funken Hoffnung“, der gleichzeitig als Demo angekündigt war. Im dritten Jahr in Folge machte sich in der Adventszeit der Lichter-Konvoi auf den Weg durch die schmalen Straßen der Stadt, um nicht nur die Leute am Wegesrand, sondern auch Menschen im Krankenhaus, in den Senioreneinrichtungen und Kinderheimen zu erfreuen.
Weihnachtstrecker begeistern die Menschen in Wesel
Dass diese Aktion gut angenommen wird, zeigt, wie viele Kinder und Erwachsene den Bauern zujubelten. An der Hafenstraße flanierten Familien vor Beginn der Demo vorbei an den Traktoren, die sich nach und nach zu einer Lichterkette aufreihten. Landwirte aus Wesel, Hamminkeln, Hünxe, Voerde, Alpen, Sonsbeck, aber auch aus dem Kreis Kleve beteiligten sich, sehr zur Freude von Svenja Stegemann, die Organisatorin der hiesigen Lichterzüge.
Während die Zuschauer am Straßenrand auf die Abfahrt warteten, war der Hintergrund dieser weihnachtlichen Aktion Thema, die Leiden der Landwirtschaft. Einige hatten auch den Leserbrief in der NRZ gelesen, in dem Unverständnis über Lichterzüge mit hohem Dieselverbrauch in Zeiten von Energiekrise thematisiert wurde. „Wenn in diesen Zeiten Bauern auf ihre Nöte aufmerksam machen und die Menschen sensibilisieren wollen, dann gibt es doch nichts Schöneres, als damit Kinder zum Staunen zu bringen“, kommentierte ein Vater den Umzug. Während sein Nachbar, der seinen Namen ebenfalls nicht in der Zeitung lesen will, richtig wütend wurde: „Dann darf man auch keine Kerzen mehr anzünden, deren Ruß verursacht auch Feinstaub.“
Landwirte werben um Verständnis und Sympathie
Svenja Stegemann hatte einen Aufsitzrasenmäher auf einen Anhänger platziert, der vorneweg hinter dem Polizeiauto fuhr, mit dem Demo-Plakat „Das ist der Funken ohne Bauern“. „No farmer, no food“ war auf einem weiteren Transparent eines Treckers zu lesen. „Was nutzt es, wenn wir heute fünf Liter Diesel einsparen und morgen gibt es uns nicht mehr! Jeden Tag geben zehn Betrieb in Deutschland auf“, argumentierte die Landwirtin aus Mehrhoog. „Wie werben hier nicht nur um Verständnis, sondern auch um Sympathie.“
Daniel Feldhaus aus Haffen-Mehr nimmt mit seinem Trecker gleich an mehreren Lichterzügen teil. „Es ist ein guter Anlass, um Aufsehen zu erregen, damit die Leute erfahren, wie schlecht es uns geht. Denn es bleibt nicht nur bei den hohen Dieselpreise, wir Landwirte werden immer weniger.“ Er hofft, dass die Eltern, nachdem sie die Freude ihrer Kinder erlebt haben, vielleicht doch bewusster einkaufen, regional, bestenfalls direkt beim Landwirt. Auf seinem illuminierten Frontbanner steht: „Liebe Politiker! Bitte macht Politik mit der Wissenschaft.“
„Vor den Landwirten sollte man den Hut ziehen“
„Wenn wir auf solche Aktionen auch noch verzichten sollen, dann können wir gleich das Licht ausmachen“, echauffierte sich Helmut Pass, der mit seinen Enkelkindern zuschaute. „Vor den Landwirten sollte man den Hut ziehen. Die Leute, die diese Aktion kritisieren, sollten dann auch den Fernseher zuhause ausschalten und auf Licht verzichten.“
An der Martinistraße hatten sich am Rondell Familien getroffen, Kinderwagen waren mit Lichterketten illuminiert, heiße Getränke aus Thermosflaschen wurden ausgeschenkt. Jannis, der vor Vorfreude von einem Bein auf das andere hüpfte, hatte sich dann doch kurzfristig umentschieden. Statt Treckerfahrer möchte er doch lieber Polizist werden. Das vorneweg fahrende Polizeiauto mit Blaulicht hat ihn nachhaltig begeistert. Dieses Fahrzeug steuerte Polizeihauptkommissar Ramon Lange, der am Ende der Veranstaltung froh war, dass alles ohne Vorkommnisse verlaufen war.
Probleme der Landwirtschaft auf den Punkt gebracht
Die meisten Zuschauer hatten sich am Großen Markt versammelt, viele Feldmarker nutzten am Ende auf dem Parkplatz der Eishalle die Gelegenheit, an den parkenden Treckern vorbei zu flanieren. Auch Svenja Stegemann war erleichtert. Oftmals hatte sie in den engen Straßen den Atem angehalten, ob der Konvoi hier auch durchpasse, ohne Spiegel zu touchieren. Am Kinderheim am Sophienweg mussten die Treckerfahrer regelrecht Slalom fahren.
Ein Junge, der gerade noch rechtzeitig mit seiner Gruppe eintraf, um den Lichterzug zu sehen, brachte die Leiden der Landwirtschaft auf den Punkt, als er auf die Frage antwortete, ob er nicht auch Lust habe, Bauer zu werden und große Trecker zu fahren: Nee, da muss man morgens ja ganz früh aufstehen, sogar am Wochenende arbeiten und dann verdient man nur ganz wenig Geld.“