Wesel. Viele gängige Medikamente sind nicht lieferbar. Die Versorgung sei nicht in Gefahr, so Apotheker Nils Hagedorn. Das ist der Grund für den Mangel.
Wer mit seinem Arzneimittelrezept in eine Apotheke geht, erlebt in diesen Tagen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unangenehme Überraschung: Viele gängige Medikamente sind vergriffen. Der Apothekerverband Nordrhein spricht von über 1000 Arzneimitteln, die derzeit nicht lieferbar sind. „Die Engpässe bei Medikamenten spitzen sich weiter dramatisch zu“, warnt der Verband. Nils Hagedorn aus Büderich, Sprecher der Apotheker in Wesel, kann das aus seiner täglich Praxis bestätigen: „Es ist ein riesengroßer Aufwand, noch etwas zu finden.“ In vielen Fällen müssen Patienten auf ein anderes Medikament zurückgreifen.
Die Lieferengpässe betreffen alle gängigen Arzneimittelgruppen, berichtet der Büdericher Apotheker: Schmerzmittel, Blutdruckmedikamente, Antibiotika, Hustenstiller und ganz besonders Fiebersäfte für Kinder seien derzeit schwer zu bekommen. Er sieht die Versorgungssicherheit seiner Kundinnen und Kunden zwar nicht Gefahr: „Wir finden immer noch eine Lösung.“ Doch für die Apotheker ist es enorm aufwendig geworden, ein Ersatzmedikament aufzutreiben. Viele Stunden am Tag sind die Mitarbeiter mit der Suche und der Rücksprache mit behandelnden Ärzten beschäftigt, berichtet Hagedorn.
Langwierige Suche nach Ersatzmedikamenten
Denn nicht immer sind die Medikamente genau gleich zusammengesetzt, daher können Unterschiede bei der Verträglichkeit auftreten. Hagedorn: „Unser Alltag ist dadurch sehr belastet.“ Die Menschen haben zwar großes Verständnis für die Umstände, staunen aber dennoch, stellt er fest: „Sie können gar nicht glauben, dass so etwas in Deutschland passiert.“
Das Problem sei aber, dass sehr viele Medikamente – oder zumindest die Wirkstoffe – in Fernost hergestellt werden. Dort kommt es, etwa in China aufgrund von Lockdowns infolge der Null-Covid-Strategie, zu Produktionsausfällen. Auch steigende Preise für Rohstoffe, so der Apotheker, sind ein Grund für die Engpässe. Denn die Preise für Medikamente sind mit den Krankenkassen festgelegt – höhere Kosten werden nicht übernommen.
Der Apothekerverband Nordrhein kritisiert, dass die Rabattverträge der Krankenkassen die Probleme verschärfen: „Wer Arzneimittel zu Konsumgütern degradiert und zum Schnäppchenpreis haben will, bekommt dafür die Quittung in Form von Betriebsschließungen von Arzneimittelherstellern, für die sich die Produktion nicht mehr lohnt“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Für die Hersteller ist Deutschland uninteressant geworden“, sagt auch Hagedorn. Der Apothekerverband appelliert an die Politik, Abhilfe zu schaffen: „Früher war Deutschland die Apotheke der Welt, heute sind es Indien und China. Und das führt zu vielen Lieferproblemen.“
Apotheker bittet: Keine Medikamente hamstern
Dass die Medikamentenknappheit so viele Produkte betrifft, kannte der Büdericher Apotheker bisher nicht. „Früher waren höchstens mal saisonal bestimmte Medikamente nicht lieferbar wie etwa Hustensäfte“, sagt er. „Aber dass durch die Bank alle betroffen sind, haben wir noch nicht erlebt.“ Und können die Apotheker die fehlenden Arzneimittel nicht selbst herstellen? Das müsste der Arzt anordnen, so Hagedorn. Aber die Gefahr sei dabei groß, dass die Krankenkassen die höheren Kosten nicht übernehmen.
Er sieht indes keinen Grund zur Panik: „Die Patienten müssen sich noch keine Sorgen machen.“ Allerdings sollten die Menschen sich auch nicht auf Vorrat ein Medikament besorgen, nur damit es für den Fall der Fälle im Haus ist, bittet er, sondern nur dann, wenn es wirklich benötigt wird. Gelegentlich sei es so schon zu weiteren – unnötigen – Engpässen gekommen.