Hamminkeln. Der Bundestagsabgeordnete Rainer Keller sprach mit Hamminkelner Gesamtschülern über die EU und den Ukraine-Krieg.
Frieden, Freiheit und Demokratie. Waren bislang eigentlich immer fast selbstverständliche Werte unserer Gesellschaft. „Aber dafür müssen wir jetzt etwas tun.“ Anette Schmücker, Leiterin der Gesamtschule Hamminkeln, fasste am Mittwochvormittag in ihrer Begrüßung ganz gut zusammen, was nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine auch auf Europa zukommt. „Die Europäische Union hat nun eine besondere Bedeutung.“
Im Rahmen des bundesweiten EU-Projekttages an Schulen waren der hiesige Bundestagsabgeordnete Rainer Keller (SPD) und Bürgermeister Bernd Romanski zu Gast, stellten sich im Rahmen einer Podiumsdiskussion in der Aula den Fragen der Schüler. Und die Jugendlichen aus den EF-Kursen Geschichte und Sozialwissenschaften hatten sich bestens vorbereitet auf ihre prominenten Gäste, auf das brisante Thema, hatten viele aktuelle Fragen zusammengetragen. „Wir wollen aber auch über unsere Ängste und Sorgen sprechen“, betonte eingangs Dominik Meyer, der die Diskussion zusammen mit Schulsprecherin Leonie Kehl moderierte.
Folgen für die Wirtschaft
Gleich bei der ersten Frage der Schüler ging es ans Eingemachte, an die Auswirkungen für die Energieversorgung und die Folgen für die Wirtschaft. „Wir haben eine hohe Abhängigkeit vom russischen Gas“, so Keller. Man müsse dahin kommen, mehr auf erneuerbare Energien zu setzen und irgendwann Gas nur noch als Brückentechnologie zu nutzen. Sogar Erdgas aus Katar sei inzwischen eine Alternative. „Da müssen wir manchmal den Tanz mit dem Teufel machen.“
Auch Bürgermeister Romanski sprach von einem „extrem komplexen Thema.“ Vor dem Hintergrund von Wachstum und Wohlstand war russisches Gas eben am billigsten. Man suche nach alternativen Energien, verliere sich aber in Diskussionen um Abstände bei Windkraftanlagen und das Verlegen von Erdkabeln. „Da müssen wir uns nicht wundern, wenn wir nicht weiterkommen. Aber wir haben keinen Planeten B.“
Deutschland habe dem wirtschaftlichen Wachstum immer viel untergeordnet. Nun müsse man sich die Frage stellen: „Brauchen wir ein weiteres Wachstum - und wie hoch soll der Preis dafür sein?“ Und auch Rainer Keller betonte: „Wir müssen wirtschaftlich anders denken und auch die Menschenrechte in den Vordergrund stellen. Aber noch stellen wir billiges Gas, billiges Öl über unser Wertesystem.“
Engagement ist gefragt
Da passte der zweite Themenkomplex ganz gut. „Wie sollen wir uns einbringen?“, fragte Leonie Kehl. Er wolle das Wahlalter auf 16 Jahre herabsetzen, erklärte Rainer Keller. „Ich finde, auch in diesem Alter hat der Prozess der politischen Willensbildung schon eingesetzt.“ Die Jugendlichen könnten sich beispielsweise über die Parteien, aber auch in Jugendverbänden engagieren. Die SPD plane auch Bürgerräte zu installieren, über die man im Dialog und auf Augenhöhe seine Forderungen einbringen könne. „Immer den Dialog suchen und sich engagieren“, lautete Kellers Tipp.
Schon mit 16 Jahren, erzählte Bernd Romanski, habe er sich in der SPD engagiert und um ein Jugendzentrum in Ringenberg gekämpft, gegen den NATO-Doppelbeschluss und das Kernkraftwerk Kalkar. „Wenn ich mitgestalten möchte, muss ich mich selbst einbringen - und darf es nicht anderen überlassen und mich wegducken. Mischt euch ein, eure Stimme zählt immer.“ Doch zwischen Gesamtschule und EU gibt’s für Bernd Romanski aber auch noch das Privatleben als Großvater. „Ich bin jetzt leider als Babysitter gefragt“, verabschiedete sich der Bürgermeister. „Vielen Dank fürs Kommen und viel Spaß mit dem Enkel“, gab ihm Schulsprecherin Leonie Kehl noch mit auf den Weg.
Viele Denkanstöße, viele Impulse
Für Rainer Keller ging’s dann im Alleingang weiter. Von Russlands Rolle in der EU („Politisch ist die Tür im Moment verschlossen, die Frage ist, ob der Schlüssel auch weggeworfen ist.“) über die Frage der Osterweiterung und die Rolle der NATO, die Gewichtung Europas innerhalb der NATO, weitere Sanktionen, die Haltung der EU zu Waffenlieferungen („Innerhalb der EU gibt es keine Diskussion: Wir liefern Waffen, eine direkte Kriegsbeteiligung ist ausgeschlossen“) und eine mögliche Aufnahme der Ukraine in der EU reichte das Fragenspektrum.
Abschließend interessierte die Schüler die Frage nach der Integration, nach dem Umgang mit Geflüchteten, mit politisch Verfolgten. Und einmal mehr die nach den wirtschaftlichen Folge inklusive Preissteigerungen. „Der Krieg wird morgen nicht vorbei sein“, so Keller. Es wird weiter massive Einschränkungen geben. Die Frage wird sein, wie schnell wir unabhängiger von Gas und Öl werden.“
Für die Schüler und Schulleiterin Anette Schmücker waren es interessante 90 Minuten. „Wir haben viel Impulse und Denkanstöße bekommen. Aber es gibt keinen einfachen Antworten, man muss abwägen.“ Nun läge es am Engagement der Jugendlichen, etwas zu gestalten. „Es kann nicht jeder in den Bundestag kommen, aber ihr könnt Verantwortung übernehmen.“