Wesel. Eine Ausstellung des Kulturkreises Dinslaken im Weseler Wasserturm zeigt, wie alte preußische Gesetzesbücher Kunstschaffende inspirieren.

Was tun mit alten, verstaubten preußischen Gesetzesbüchern, die in dunklen Kellern viele Jahrzehnte ein einsames Dasein geführt haben? Die Inhalte sind längst überholt, zudem zeitgemäß digitalisiert. In den Neubau des Dinslakener Stadtarchivs wollte sie auch keiner mitnehmen. Trotz Original-Ledereinband. Gabriele Scholz, langjährige Vorsitzende des KulturKreises Dinslaken, vermutete hier aber eine Quelle der Inspiration für eine künstlerische Auseinandersetzung. Tatsächlich stellten sich etliche Künstlerinnen und Künstler der Herausforderung, dem Buchmaterial mit einer neuen Interpretation zu begegnen. So entstand die Ausstellung „ARTgerecht“ mit Bildern, Skulpturen, Fotos, Texte und Collagen, die nun im Wasserturm Wesel eröffnet wurde.

Damit wird die Reihe „Kunst im Turm“ fortgesetzt, in der seit 1991 wechselnde Ausstellungen im alten Wasserturm an der Brandstraße gezeigt werden. Nachdem Nicole Schillings, selbst bekannte Künstlerin aus Wesel, mit einem Saxophonvortrag musikalisch eingeleitet hatte, eröffnet Rainer Hegmann als Geschäftsführer der Stadtwerke Wesel eine Vernissage, die zahlreiche Besucher an diesem Sonntagmorgen angelockt hat.

17 Kunstschaffende stellen 40 Exponate aus

Die stellvertretende Bürgermeisterin Ruth Freßmann und Heinrich Heselmann als Vertreter des Landrats gehen in ihren Grußworten über das Thema der Ausstellung hinaus. Sie erinnern an das derzeitige Unrecht in der Ukraine. Diese aktuelle, politische Situation greift auch Magdalene Schwan-Storost, Vorsitzende des Kulturkreis Dinslaken, auf und fragt, was Kunst dabei tun könne. Ihre Aufgabe, so meint sie, sei es, „den Blick zu schärfen und Warnzeichen zu erkennen.“

Künstler Alfred Grimm aus Hünxe legt alte Gesetzesbücher in Ketten.
Künstler Alfred Grimm aus Hünxe legt alte Gesetzesbücher in Ketten. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

Dies ist wohl auch das Anliegen der 17 Künstler und Künstlerinnen, die mit 40 verschiedenen Exponaten im Wasserturm vertreten sind. Die Werke veranschaulichen eindrucksvoll die Perspektiven in der Auseinandersetzung mit unserem Rechtswesen und der Gerichtsbarkeit. Zwei Welten treffen hierbei aufeinander. Auf der einen Seite das strenge, rationale und eindeutige Denken und Handeln der Justiz, auf der anderen Seite die freie, kreative und sehr individuelle Sichtweise der Kunstschaffenden.

Das sind die Öffnungszeiten der Ausstellung im Wasserturm Wesel

Die individuellen Mittel, mit denen die Künstler und Künstlerinnen sich dem Thema annähern, könnten kaum vielfältiger sein: Die Türhüterparabel von Franz Kafka inspiriert Albina Kulig, Ingrid Hassmann dichtet auf Blättern mit Verwaltungsvorschriften. Was passiert, wenn Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit, ihre Unabhängigkeit verliert, „wenn jemand die Fäden zieht“, veranschaulicht Martina Mühlen in einer Papier-Collage.

Seiten aus einem Gesetzbuch faltet Barbara Grimm zu Papierfliegern, die in einer Voliere gefangen sind. Und Rainer Höpken lässt aus einer preußischen Gesetzessammlung ein Kruzifix mit einem skelettierten Vogel wachsen.

Die Ausstellung „ARTgerecht“ im Wasserturm an der Brandstraße 44 in Wesel ist noch bis zum 24. April samstags von 15-18 Uhr und sonntags von 12 bis 18 Uhr zu sehen.