Kreis Wesel. Mobilitätsstationen mit einem umfangreichen Angebot soll die Verkehre vernetzen. Allerdings ist das Vertrauen in den ÖPNV gering.

„Mobility Box“ nennt die Niag ihre Mobilitätsstationen im Baukastenprinzip: Module, die je nach Bedarf E-Ladestation, Fahrradstation, E-Bikes oder E-Scooter im Verleih, Car- und Bike-Sharing und eine 5G-Mobilfunkabdeckung haben, sollen künftig in jeder Kommune stehen. Niag-Vorstand Christian Kleinenhammann stellte dem Mobilitätssausschuss des Kreises jetzt ein Mobilitätskonzept vor. Eine Umfrage der Niag unter den Fahrgästen hatte gezeigt, dass deren Wünsche – wohl aus leidiger Erfahrung – eher schlicht sind: sicher, sauber und trocken wollen die Menschen auf ihre Busse warten. Und auch einige Reaktionen im Ausschuss machten deutlich, dass Bus und Bahn Vertrauen verspielt haben.

70 Prozent der Ein- und Auspendler setzen aufs Auto

Die Niag verstehe sich nicht mehr allein als Verkehrsbetrieb, sie sei ein Mobilitätsdienstleister für den gesamten Niederrhein. Kleinenhammann präsentierte dem Ausschuss eine Analyse: Demnach kommen die Einpendler im Kreis Wesel vornehmlich aus Duisburg, den Kreisen Kleve, Borken und Recklinghausen sowie aus Oberhausen. Kreis Weseler arbeiten vornehmlich in Duisburg, dem Kreis Kleve, in Düsseldorf, Krefeld und Essen.

70 Prozent der Menschen in den Kreisen Wesel und Kleve nutzen den Pkw, bei Wegen bis fünf Kilometer hat das Rad noch einen Anteil von rund 22 Prozent. Kleinenhammann stellte fest: Nur wenige Menschen nutzen mehrere verschiedene Verkehrsarten. Ziel müsse es sein, die Attraktivität des ÖPNV zu steigern - das betreffe die Reisezeit, die Umsteigemöglichkeiten, aber auch die sogenannte „first Mile“ und „last Mile“ – den Weg zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zum Ziel.

Mangelnde Vernetzung behindert die Mobilität

Der Kreis Wesel – aber auch der Kreis Kleve – hat einen erheblichen Bedarf an Vernetzung der Verkehrsträger. Zwar sei der Schienenverkehr in Nord-Süd-Richtung gut, und auch der Busverkehr zum Teil gut ausgebaut. Allerdings mangele es an guten Ost-West-Verbindungen. Die Niag schlägt eine App vor, in der Informationen auflaufen und Tickets gebucht werden, die Daten aller Verkehrsträger müssten enthalten sein, zudem künftig eine Möglichkeit des on-demand-Verkehrs – Kunden können ihren Bus dann per App buchen – , erfahren, wo die nächste Ladestation ist oder beispielsweise ein Fahrrad mieten.

Sharing Modelle für Fahrräder soll es künftig flächendeckend geben - man könnte beispielsweise von einer Mobility Box das Rad leihen und es in einer anderen zurück geben. Auch soll es sichere Abstellmöglichkeiten für Räder geben, die nicht immer am Bahnhof anzusiedeln seien. Bis 2025 sieht Kleinenhammann auch die Möglichkeit, autonome Busse zwischen den Mobilitätsstationen einzusetzen.

Kritik am ÖPNV

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Jede Menge Zukunftsmusik, allerdings blieb der Ausschuss skeptisch. Lukas Aster (Grüne) kritisierte das Thema Zuverlässigkeit: „Die Bürger sind abgeschreckt, weil sie fürchten, in der Verzweiflung zu enden.“ Im Störfall sei man linksrheinisch aufgeschmissen und bekomme keine Information. Rainer Gardemann (CDU) kritisierte die Taktung der Busse, regelmäßig winke man seinem Anschluss nur noch hinterher. Er forderte einheitliche Tickets über alle Verkehrsträger und eine Vernetzung der Systeme, um die Wartezeiten zu reduzieren.

Auch die „Mobility Box“ stieß auf Zweifel: Wie sollen alle geplanten Funktionen da unterkommen, fragte Jürgen Bartsch (Grüne), wie viele Räder passen da rein? Er habe an einen Marketing-Gag gedacht. Christian Kleinenhammann erläuterte, dass der Aufgabenträger am Ende über die gebotenen Leistungen entscheide.

Details müssen in Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung, aber auch mit den Kommunen geklärt werden. Bei ihnen, so Gabriele Wegner (SPD) müsse der Kreis mehr für Mobilitätskonzepte werben, „die Begeisterung der Bürgermeister ist unterschiedlich“. Wegner hätte gern eine der Mobility Boxen gesehen, bislang gibt es sie aber nur als Konzeptstudie. Auch was sie kosten, konnte die Niag noch nicht sagen. Generell kritisierte Wegner, dass alles viel zu lange dauere. „Autonom fahrende Busse gibt es bereits“, so die umweltpolitische Sprecherin der SPD. Constantin Borges (FDP) kritisierte, dass der ÖPNV an den einfachsten Dingen scheitere, Busse und Züge seien nicht vernetzt, „Wunsch und Wirklichkeit driften auseinander“.

Derzeit gibt es zahlreiche Fördermöglichkeiten

Der Kreis Wesel ist für die CDU mehr als nur ein Aufgabenträger, demnächst stehe der Nahverkehrsplan neu zur Beratung. „Modulares Denken ist der zentrale Begriff“, so Fraktionchef Frank Berger, „wenn A nicht passt, dann greift B oder C.“ Damit Menschen das Auto verlassen seien gute Angebote nötig und die Förderkulisse derzeit gut. „Na dann: Ran an den Speck!“, kommentierte Karin Pohl (Die Linke).