Hamminkeln. Umweltministerin Svenja Schulze war zur Podiumsdiskussion nach Dingden gekommen. Dr. Anja Sommerfeld nahm die Gäste mit auf ihre Forschungsreise.
Dass zur symbolischen Grundsteinlegung für einen Klimalehrpfad sogar eine Bundesministerin nach Dingden kommt, ist ein großer Kraftakt, den der Preisträger des Klimaschutzpreises 2020, die Akademie Klausenhof, gestemmt hat. Aber nicht alleine. Im Schulterschluss mit der kfd (Katholische Frauen Deutschland) im Bistum Münster wurde am Sonntag ein Expertengespräch mit hochkarätiger Besetzung und Live-Übertragung via Internet im Festzelt geboten, an dem über 100 Interessierte teilnahmen.
Vorangegangen war am Morgen die Segnung des Grundsteins für den Klimalehrpfad. Bekanntlich hat die Akademie Klausenhof einen großen Teil des Märchenwalds gekauft, um dort einen interaktiven Nachhaltigkeits-Lehrpfad aufzubauen. Wie er aussehen soll und welche Themen behandelt werden, wurde interessierten Besuchern von Leiter Marketing Stephan Brömling und Thorsten Gonska, Bereichsleiter politische Bildung im Klausenhof, vorgestellt.
Wetterbedingt waren die Themen im Zelt an Schauwänden aufbereitet und auch der Grundstein ins Trockene gebracht worden. Hier wurde die Zeitkapsel, die Umwelt-Bundesministerin Svenja Schulze (SPD) in Händen hielt, von Hamminkelns Bürgermeister Bernd Romanski mit tagesaktuellen Nachrichten mit dem Schwerpunkt Klima befüllt.
Klimaschutz gehört zur politischen Bildung
Dass das Thema Klimaschutz ein wichtiger Bestandteil politischer Bildung darstellt, machte Rüdiger Paus-Burkard, Direktor des Klausenhofs, deutlich. Der neue Lehrpfad sollte, so wie das Thema Klimawandel über Jahrzehnte die Menschen beschäftigt, langfristig angelegt sein und wertvolle Inhalte vermitteln. In Dingden werde man sich auf die Themen Flächennutzung und Flächenverbrauch konzentrieren.
Die Vorsitzende des kfd-Diözesanverbands Münster, Judith Everding, freute sich über den gut besuchten Klima-Aktionstag, der von Dr. Ines Marbach fachkundig moderiert wurde.
Große Aufmerksamkeit fand der Vortag der Polarforscherin Dr. Anja Sommerfeld. Dank eindrucksvoller Aufnahmen nahmen die Gäste an ihrer Arktis-Expedition Mosaic teil. Dazu wurde das Forschungsschiff Polarstern ein Jahr im Eis regelrecht eingefroren. Dr. Sommerfeld war von Dezember 2019 bis März 2020 persönlich an Bord. In einer Zeit der absoluten Dunkelheit, das Arbeiten war nur mit Stirnlampe möglich, bei Temperaturen von durchschnittlich minus 30 Grad.
Viermal am Tag wurden Wetterballone in 30 km Höhe aufgelassen, um Daten für die Wettervorhersage zu sammeln. Angestrebt war es, einen Durchbruch beim Verständnis des arktischen Klimasystems zu erhalten. „Das ist uns gelungen.“ Denn bislang gab es keine solide wissenschaftliche Grundlage für politische Entscheidungen zur Eindämmung und Anpassung an den Klimawandel. Die Auswertung der Daten könne Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, doch eines sei gewiss, so die Forscherin: „Die Arktis erwärmt sich doppelt so schnell wie erwartet.“ Die Erwärmung sei im Winter sogar noch größer. So sei es gut möglich, dass der arktische Ozean eisfrei wird.
Die Arktis ist unser Frühwarnsystem
Dieser dramatische Wandel wirkt sich stark auf Wetter und Klima auf der gesamten nördlichen Hemisphäre aus. „Die Arktis ist unser Frühwarnsystem. Die Politik darf nicht warten, jetzt ist es Zeit zu handeln“, mahnte die Forscherin.
In der Podiumsdiskussion rund um den Klimawandel wurde es dann höchst politisch.
Wende in der Landwirtschaft
Sarah Wiener, Mitglied im EU-Parlament für die Grünen und bekannte Köchin, war per Video-Stream zugeschaltet und plädierte für eine Systemwende in der Viehzucht, gegen Massentierhaltung und die bisherige Subventionspolitik. Sie ist für eine Reduzierung des Fleischkonsums und die gerechte Belohnung von Landwirten. Allerdings, da waren sich die Diskussionsteilnehmer einig, die Landwirte befinden sich derzeit in einer kritischen Lage, „die Landwirte warten auf eine neue Politik“, so Dr. Jan Niclas Gesenhues, Mitglied im Grünen Landesvorstand.
Umweltministerin Svenja Schulze bestätigte, dass die Landwirtschaft über 20 Jahre für den Weltmarkt produzieren musste. Nun beginne das Umdenken. „Aber das Verbot von Massentierhaltung ging mit der CDU nicht!“
Viele Punkte wurden gestreift
Viele Punkte wurden gestreift, Verkehr, Radwegebau, Photovoltaik, intelligente Mobilität. Wobei auch an der Reaktion des Publikums deutlich wurde, der Öffentliche Nahverkehr funktioniert auf dem Land nicht. Autos lassen sich nicht abschaffen, wohl werden sie sauberer werden müssen. Konsens war ebenfalls, dass sich Klimaschutz am besten kommunal, nahe am Bürger, umsetzen lasse.
CDU-MdL Dr. Christian Untrieser brachte die Problematik auf den Punkt. „Wie schaffen wir die nächsten Schritte schneller und besser? Nicht nur durch Geld, es geht bei uns nicht schnell genug: Ein Verfahren für Windkraftanlagen dauert bis zum Abschluss bei uns bis zu sieben Jahre.“ Viel mehr Dächer mit Photovoltaikanlagen, auch auf Baggerseen, weniger Klagewellen von Bürgern.
Gebote machen Sinn, befand auch die Ministerin: Solardachpflicht, wo es möglich ist, keine generellen Abstandsregelungen bei Windenergie, Hilfen des Bundes für die Kommunen.
Wege müssen schneller werden
Auch Ingrid von Eerde, Klimaschutzmanagerin der Stadt Wesel, plädierte dafür, dass die bürokratischen Wege kürzer werden. „Es gibt tolle Fördertöpfe dafür, aber wir haben nicht die Leute, die es bearbeiten.“ Beispielsweise müsse vermittelt werden, wann Photovoltaik für den Altbaubereich wirtschaftlich ist, damit man nicht ein Steuerexperte sein müsse.
Bürgermeister Romanski hätte sich von der Podiumsdiskussion mehr Lösungen erwünscht und mahnte ein Neudenken in Sachen kommunale Finanzierung zum Klimaschutz an, während Peter Mellin vom Forum Senioren Hamminkeln bat, sich dem Thema Regulierung des Wasserhaushaltes zu widmen, damit Süßwasservorräte nutzbar bleiben.
Eine lebhafte Diskussion erlebten die Teilnehmer in zweieinhalb Stunden, in denen auch die kfd-Veranstalterinnen deutlich machten, dass jeder sein Handeln selbst überdenken müsse.