Wesel. Wegen 12 Körperverletzungen und sexuellem Missbrauch verurteilte das Landgericht einen Weseler (58). Angeklagte waren ursprünglich 40 Taten.

Willem W. (58) sieht schlecht aus. Offenbar scheinen die Haft und die wochenlange Konfrontation mit seinen Schandtaten am Gesundheitszustand des Weselers genagt zu haben. Am letzten von zehn Verhandlungstagen bescheinigten alle beteiligten Juristen dem Angeklagten, ein Meister der Manipulation gewesen zu sein. Zwischen 2017 und 2020 hatte sich der Führer der sektenähnlichen Gruppierung namens „Life Balance Recovery Center“ in Wesel gezielt psychisch labile Menschen ausgesucht, die er demütigen, misshandeln und finanziell wie sexuell ausbeuten konnte. Strafbar war nur ein kleiner Teil davon. Für den muss der Angeklagte nun viereinhalb Jahre hinter Gitter.

Die ursprüngliche Anklage hatte rund 40 Taten aufgelistet. Über Jahre soll es in der Wohnung des Angeklagten in Hamminkeln, in dem von der Gruppe geführten Lokal „Haus Constanze“ in Diersfordt und zuletzt in einem Restaurant auf der Grav-Insel zu brutalen Misshandlungen gekommen zu sein. Und zu Sexualtaten, deren Opfer fast immer Männer waren, die dem Meister zu Willen sein mussten.

Mit Besen und Bratpfannen auf Geschädigte eingeschlagen

Das Ausfluslokal „Haus Constanze“ in Diersfordt war von der sektenähnlichen Gruppierung betrieben worden. Die meisten der abgeurteilten Taten spielten hier.
Das Ausfluslokal „Haus Constanze“ in Diersfordt war von der sektenähnlichen Gruppierung betrieben worden. Die meisten der abgeurteilten Taten spielten hier. © Foto: Markus Weissenfels

Bereits am zweiten Verhandlungstag hatte Willem W. ein Geständnis abgelegt. Er räumte einen großen Teil der Gewalttaten ein, bei denen er Küchen- und Servicepersonal unter Einsatz von Bratpfannen, Besenstielen, heißen Grillrosten, Grillzangen und Fäusten disziplinierte und angeblich versuchte, ihnen den Teufel auszutreiben. Auch sexuelle Handlungen hatte der Angeklagte eingeräumt. Allerdings habe er niemanden dazu gezwungen, so der Angeklagte.

Die umfangreiche Beweisaufnahme, die sich im Wesentlichen genau um diese Frage drehte, konnte die Behauptung des Angeklagten nicht widerlegen. Im Gegenteil: Aussagen machten immer wieder deutlich, dass die Zeugen die Handlungen als Teil der Therapie verstanden. „Ich war damals überzeugt davon, dass es gut für mich war“, hieß es. Und bis heute wollen jene, die den Überzeugungskünsten von Willem W. zum Opfer fielen, noch immer vorwiegend das angeblich Gute in seiner Therapie sehen.

Die angeklagten Sexualtaten blieben zum großen Teil straflos für den Weseler

Von der umfangreichen Anklage blieben so im Urteil nur neun gefährliche und drei einfache Körperverletzungen sowie der sexuelle Missbrauch eines Schutzbefohlenen übrig. Bei der einzigen abgeurteilten Sexualtat hatte der 58-Jährige einen 15-Jährigen, dessen eigene Mutter Erziehungsaufgaben an den Angeklagten übertrug, unsittlich berührt. Alle übrigen Anklagevorwürfe wurden eingestellt.

Die Juristen gingen davon aus, dass sie mit Einwilligung der Zeugen geschahen. Die hätten sich den Taten jederzeit entziehen können, so der Vorsitzende. Stattdessen seien sie von der fragwürdigen Therapie überzeugt gewesen und hätten sich nicht dagegen gewehrt. Er wisse, dass die Geschädigten großes Leid erfahren hätten. „Aber es ist nicht die Aufgabe des Gerichts, moralische Urteile zu fällen, sondern strafrechtliche Verantwortung juristisch zu prüfen“, stellte der Vorsitzende klar.

Für den Angeklagten sprachen vor allem das Geständnis und dass er bislang nicht vorbestraft war. Zu Lasten des 58-Jährigen wirkten sich die erhebliche Brutalität seiner Taten und der Umstand aus, dass er sich „gezielt psychisch labile Opfer aussuchte“.