Wesel. Seit wenigen Tagen sorgen die neuen Bestimmungen für Verpackungen bei Geschäften und auch bei Kunden für Veränderungen - aber nicht bei allen.
Beate Ritschel steht geduldig in der Warteschlange am Stand der Landfleischerei Helbig auf dem Weseler Wochenmarkt. Sie hat ihren kleinen transparenten Eimer mit dem roten Griff unterm Arm – wie auch die Kundinnen vor und hinter ihr. In wenigen Sekunden wird Edelgard Abendroth ihr einige Kellen Erbsensuppe mit Bockwurst in den Mehrweg-Eimer füllen.
Suppe im praktischen Mehrwegeimer
„Der hat einmal 50 Cent Pfand gekostet, aber den kann ich ja immer wieder benutzen“, berichtet die Kundin. Die Weselerin ergänzt, dass dies für den Umweltschutz ja so sein müsse und sie das auch gerne unterstützen wolle, nicht erst ab diesem Juli seit die neue Bestimmung Plastikverpackungen nahezu verbietet.
Landfleischerei-Chef Markus Helbig hat sich nicht erst seit Monatsbeginn, sondern schon seit Jahren mit diesem Thema beschäftigt. Er sagt: „Vor zwei Jahren war es noch gar nicht so einfach, umweltfreundliche Verpackungen zu finden. Doch durch die Gesetzesänderungen wird die Industrie gezwungen, jetzt Alternativen anzubieten, das finde ich genau richtig.“
Kompostierbares Besteck
Dann kramt er einen hellbraunen Topf und Besteck aus kompostierbarem Material heraus - sowas sei die Zukunft, sagt er voller Überzeugung.
Etwa 30 Meter weiter sitzt ein Mann in der Fußgängerzone und isst eine Portion Pommes frites aus einem Pappschälchen, doch in der Weseler Innenstadt gibt es auch an mehreren Läden Snacks aus Plastikschalen. „Wir haben nichts anderes“, erklärt Verkäufer Huzan Schaker von Brödis, auf ein weißes Plastikschälchen angesprochen. Offenbar möchte er bei Plastik bleiben: „Die Soße weicht die Pappe ja auf!“, sagt er. „Aber unsere Coffee-to-go-Becher sind aus Pappe“, ergänzt der Verkäufer.
Gegen Plastikmüll in den Meeren
Mit ihrer sechsjährigen Großnichte sitzt eine 70-Jährige Frau aus Raesfeld in der Weseler Fußgängerzone und isst aus einer Plastikschale ein Schnellgericht - mit einer roten und einer grüner Plastikgabel. Als sie auf den Plastikmüll angesprochen wird, wirkt es, als habe sie direkt ein schlechtes Gewissen: „Ich habe das auch gerade gestern in der Zeitung gelesen und hätte auch lieber eine Pappschale für das Essen bekommen.
Doch ich wollte jetzt keinen Aufstand machen, weil die Schlange so lang war.“ Die Dame ergänzt energisch: „Es wurde auch höchste Zeit, dass da Abhilfe geschaffen wird, schließlich landet schon genug Plastikmüll in den Meeren.“ Sie hoffe, dass bei ihrem nächsten Besuch in Wesel der Snack in einer umweltfreundlicheren Verpackung angeboten wird. „Die Plastikgabeln nehmen wir aber mit. Die können wir spülen und zum Beispiel noch als Käse-Picker benutzen“, sagt die 70-Jährige direkt zu ihrer Großnichte.
Plastik-Eislöffel sind bald Geschichte
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ist ein Geschäft schon deutlich weiter. Der Wechsel zu neuartigen Produkten ist bei der Eisdiele Venezia in der Hohen Straße bereits in vollem Gange: Inhaber Silvio Martinelli zeigt stolz auf dutzende gestapelte Eisbecher – alle aus Pappe.
Dann holt er einen Teller, in dem er Spaghetti-Eis verkauft, dazu eine dezentbraune Gabel und sagt: „Auch hier: Pappe statt Polyester.“ Nur auf der Theke neben den Eishörnchen liegen noch einige Dutzend bunte kleine Eislöffel. Aber auch die werden bald Geschichte sein: „Die darf ich noch aufbrauchen, auch wenn ich noch 20 Kartons davon hätte – habe ich aber nicht, sondern nur noch zwei. Die sind bei gutem Wetter am Ende des Monats auch weg“, so der 55-Jährige, der während des Erklärens eine nagelneue Packung aus dem Schrank holt, in dem fast identisch große Holzlöffelchen stecken. Silvio Martinelli verzieht dabei leicht das Gesicht: „Das ist leider nicht ganz Dasselbe: Holz hat einen eigenen Geschmack – und das verändert dann auch den Geschmack vom Eis im Mund.“
Immerhin: Es tut sich was – auch in Wesel. Denn die seit Juli geltende Verordnung macht jetzt mit einer Reihe von Einwegkunststoff-Produkten endgültig Schluss - darunter Wattestäbchen, Plastikteller oder auch Styropor-Becher. Die Verbraucherzentrale klärt auf: „Genau genommen traten am 3. Juli in Deutschland sogar zwei neue Gesetze in Kraft: die Einwegkunststoff-Verbotsverordnung und die Einwegkunststoff-Kennzeichnungsverordnung.“
Mehr Masken als Kaffeebecher
Diese Gesetze sollen helfen, dass weniger Kunststoffabfälle falsch entsorgt werden oder als wilder Müll in der Umwelt landen. Anlass war, dass an europäischen Stränden immer mehr Plastikteile zu finden sind. Die Verpackungen und Produkte, die am meisten gefunden wurden, sind in die beiden Gesetze aufgenommen worden. Gerade die Abfallberge von Verpackungen für den Außer-Haus-Konsum von Essen steigen seit Jahren an. So haben sich in den letzten 25 Jahren die Behältnisse für Take-away aus Kunststoff verdoppelt.
Positiv: Auf etwa 400 Metern in der Weseler Fußgängerzone lag an diesem Vormittag nur ein einziger weggeworfener Kaffeebecher – dafür gab es aber gleich drei Mund-Nasen-Masken...