Wesel. Der Dombauverein präsentierte den vierten Band der Buchreihe „Kirchenrechnungen der Weseler Stadtkirche St. Willibrordi“.
Wenn Dr. Herbert Sowade über die Geschichte der Stadtkirche Wesels spricht, dann funkeln seine Augen. Dann braucht der 86-Jährige kein Manuskript, keine Notizen, keinen Leitfaden. Dann verlässt sich Dr. Sowade auf sein Gedächtnis, auf seine Erinnerungen, auf seine Erfahrungen mit und rund um die Geschichte des Willibrordi-Doms. Dann fallen ihm immer wieder interessante Anekdoten, spannende Randnotizen ein.
Nimmt seine Zuhörer voller Begeisterung mit in die Zeit um das Jahr 1520, als Maurermeister Gerwyn und Stadtpfarrer Anton von Fürstenberg eine wichtige Rolle spielten. Kein Zweifel, Herbert Sowade ist ausgewiesener Experte, wenn es um das Gotteshaus im Zentrum Wesels geht. Seit vier Jahrzehnten beschäftigt er sich mit der Geschichte des Doms im Allgemeinen, mit Kirchenrechnungen im ganz Speziellen: „Seit 1981, von montags bis freitags.“
Ein Langzeitprojekt
Inzwischen hat Sowade als Autor den vierten Band der Kirchenrechnungen der Weseler Stadtkirche St. Willibrordi 1520 bis 1535 fertiggestellt. Herausgeber des knapp 800-seitigen Werkes ist der Willibrordi-Dombauverein, Unterstützung bekam Dr. Sowade von Dr. Martin Wilhelm Roelen, Leiter des Stadtarchivs und für den Druck sowie Vertrieb zuständig, und Professor Dr. Wolfgang Deurer, bis zum vergangenen Jahr Dombaumeister und Mitinitiator der Buchreihe.
„Wir sprechen hier von einem Langzeitprojekt von 40 Jahren“, betont Fred-Jürgen Störmer, Vorsitzender des Dombauvereins, gestern bei der Vorstellung des Buches. In drei bis vier Jahren werde der fünfte und letzte Band erscheinen – dann sind knapp 160 Jahre Kirchengeschichte von 1401 bis 1560 erfasst. Störmer sei den Protagonisten zu Dank verpflichtet, wobei Professor Deurer den Anstoß gegeben habe. Es wurde ein Werk mit „absolutem Spezialwissen ins Leben gerufen.“ Knapp 50 Bände, die zum Preis von 36 Euro verkauft werden, sind zunächst einmal gedruckt worden.
Quelle für viele wissenschaftliche Forschungen
Professor Deurer, der früher als Lehrling in der Dombauhütte arbeitete, berichtete davon, dass die Familie Sowade zu seinem zweiten Zuhause in Wesel geworden sei. „Da ist eine tiefe Freundschaft entstanden, die bis heute anhält.“ Da die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Bau nicht in Schwung gekommen seien, habe Deurer dem damaligen Schatzmeister des Dombauvereins, Dr. Hans Thienes, als Autor Herbert Sowade vorgeschlagen. „Und den letzten Band kriegen wir auch noch hin“, schmunzelte Wolfgang Deurer.
Herbert Sowade berichtet von einer Zeit, in der „die Stadt auf den Glockenschlag hin funktionierte, in der die Bürger sonntags in die Kirche strömten.“ Und in der den Kirchenrechnungen nicht zuletzt deshalb eine große Bedeutung zukam. „Denn durch sie konnte man auch Rückschlüsse beispielsweise auf die Topographie und Sprache ziehen. Sie sind Quelle für viele wissenschaftliche Forschungen.“
Kirche in einer Zeit des Umbruchs
Die städtische Verwaltung indes hatte sie als nutzlos erachtet und im Jahre 1853 der evangelischen Kirchengemeinde überlassen. In den Jahren um 1520 war die Bautätigkeit am größten spätgotischen Monumentalbau am Niederrhein nahezu beendet, die Kirche befand sich in einer Zeit des Umbruchs. Geld wurde damals gesammelt durch Spenden, die Wallfahrt und auch in der Ablasskiste unter den Opferstöcken – neben den Einnahmen aus Pacht und Mieten.
Für Stadtarchivar Martin Roelen ergeben sich aus den Rechnungen viele „Kleinigkeiten, aus denen man eine Geschichte erzählen kann.“