Rehkitzrettung Hamminkeln: Früh aufstehen für den Tierschutz
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Hamminkeln. Mit Hilfe einer Drohne bewahren die Helfer des Hegerings Kitze vor dem Tod in der Mähmaschine. Die NRZ hat die ehrenamtlichen Retter begleitet.
Um fünf Uhr morgens ist es kalt und nebelig am Vöckingsweg in Hamminkeln. Doch eine 15-köpfige Truppe ist schon seit einer halben Stunde bei der Arbeit. Nadine Leszinski und Thomas Armbrust schauen gespannt auf den Bildschirm: Helle Punkte auf grauem Grund bewegen sich auf dem Wärmebild. Es sind Mitglieder der Rehkitzrettung Hamminkeln, die der Drohne über die Wiese folgen. Dann taucht ein weiterer weißer Punkt auf – er verharrt auf der Stelle.
Per Funk werden die Helfer informiert. „Da ist etwas, rechts“. Wenig später kommt die Antwort. „Das war ein Hase.“ Seine Flucht könnte auch dem Langohr das Leben retten, denn gleich will der Landwirt anrücken, um die Wiese zu mähen. Zwei Kitze haben die Ehrenamtler am Morgen schon vor dem Tod gerettet – und es werden nicht die letzten sein.
An diesem trüben Tag im Mai zeigt sich, dass Rehkitze retten nicht nur pures Vergnügen ist: Die Truppe, organisiert vom Hegering Hamminkeln, hat schon um halb fünf mit der Suche begonnen. Aus dem zum Teil hüfthohen Gras kriecht die Nässe in Schuhe und Kleidung. 50 Hektar will die Gruppe an diesem Morgen absuchen. Dafür ist zeitweise neben der eigenen Drohne auch die der Kreisjägerschaft Wesel im Einsatz. Die Landwirte machen von dem Angebot der Jäger Gebrauch und informieren die Rehkitzretter vor der Mahd.
2020 rettete der Hegering 55 Rehkitze
Hegeringsleiter Björn Alexander hat den Flug der Drohne vorab einprogrammiert. Aus 40 Metern Höhe erfasst das Gerät die Wiese in 25 Meter breiten Bahnen. Alles, was wärmer ist als die Umgebung, taucht als weißer Fleck auf dem Bildschirm auf. Daher müssen die Retter früh morgens aktiv werden, wenn die Umgebung noch kühl ist. Die Gruppe besteht aus Jägern, ihren Angehörigen, Freunden. „Ein bunter Haufen“, sagt Björn Alexander.
Im vergangenen Jahr hat der Hegering die Drohne angeschafft, die rund 11.000 Euro wurden über Spenden und eine Crowdfunding-Aktion organisiert. 55 Rehkitze konnten 2020 in Hamminkeln vor dem Tod bewahrt werden. 2021 sind es bis zu diesem Tag schon 16. Noch bis Juni dauern die Einsätze, solange es junge Rehe gibt, die keinen Fluchtinstinkt haben und sich im hohen Gras sicher fühlen. „Entscheidend ist aber nicht nur die Drohne“, sagt Björn Alexander, „sondern auch die Bekloppten, die das hier machen. Ein bisschen Wahnsinn gehört dazu.“ 24 Mitglieder haben sich in der Whatsapp-Gruppe organisiert und gehen nach ihren frühen, zum Teil fast täglichen Einsätzen ihren Berufen nach.
Rehkitze werden in Kisten an den Waldrand gestellt
Dass ihm als Jäger schon vorgehalten wurde, er rette die Rehe nur, um später mehr von ihnen erschießen zu können, ärgert Alexander: „Ich stehe nicht 50 mal frühmorgens auf, damit ich später ein Reh mehr schießen kann. Das hier ist aktiver Tierschutz.“ Tausende Rehkitze verenden jährlich in dem Mähmaschinen. Björn Alexander und Stefan Möllenbeck haben extra einen Drohnenführerschein gemacht und die Genehmigung für die Suchaktionen eingeholt, denn der Bereich unweit des Kesseldorfer Storchennests ist ein Naturschutzgebiet.
Wenig später taucht wieder ein weißer Punkt auf – diesmal ist es ein Reh. Die Helfer kämpfen sich durch das hohe Gras und finden gleich noch ein zweites Kitz. Beide werden vorsichtig in vorbereitete Kisten gehoben. Die Retter fassen sie nur mit Hilfe von Grasbüscheln an, damit die Tiere keinen fremden Geruch annehmen.
Die Kitze werden wie die beiden zuvor gefundenen Artgenossen in Boxen an den Waldrand gestellt. Der Landwirt erhält eine Information, damit er die Stellen, an denen die Tiere gefunden wurden, zuerst mäht. Die Kitzretter setzen die Wildtiere anschließend auf die Wiese zurück. Und die Rehmütter? „Die kriegen das mit, die sind immer in der Nähe“, weiß Björn Alexander.
Nach wenigen Stunden sind die Rehkitze wieder frei
Mehrfach wechselt die Gruppe den Standort, sucht zeitweise mit zwei Drohnen die Wiesen ab. Der Nebel wird dichter. „Das ist superanstrengend“, sagt Nadine Leszinski beim Blick auf den Bildschirm, denn die hellen Punkte auf dem Wärmebild verblassen. „Aber es macht einfach total Spaß. Wenn man ein Kitz gefunden hat, weiß man, wofür man morgens aufsteht.“
Kitzretter mit der Drohne im Einsatz
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Stefan Möllenbeck sorgt sich derweil um die Drohne, die der feuchten Luft ausgesetzt ist. Um halb acht erhält er schließlich die Nachricht: Der Landwirt wird heute nicht mähen, das Wetter ist zu schlecht. Die Aktion ist beendet – und die vier Rehkitze können schon nach wenigen Stunden wieder frei gelassen werden.
Als die Helfer die Stelle erreichen, an der zwei Geschwisterkinder in einer Box „geparkt“ waren, stellen sie fest: Eins ist schon weg. Die Mutter hat es geholt. Nummer zwei wird vorsichtig in die Wiese gesetzt. Nicht mehr lange, und auch dieses Kitz wird wieder bei der Ricke sein – „wenn uns nicht der Fuchs beobachtet hat“, meint Stefan Möllenbeck augenzwinkernd.
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