Schermbeck. Gutachter, Umweltministerium, Bezirksregierung und Kreis Wesel standen Dienstag zum Thema Umweltskandal in Gahlen stundenlang Rede und Antwort.

Teilweise wirkte es wie ein Kreuzverhör, als Ausschussmitglieder aber auch Schermbecker Bürger die Vertreter von Umweltministerium, Bezirksregierung und Kreis Wesel fast drei Stunden lang mit Fragen löcherten und ihnen teilweise heftige Vorwürfe an den Kopf schleuderten.

Anlass war die Vorstellung des vom Umweltministerium in Auftrag gegebenen Gutachtens zum Umweltskandal im Gahlener Mühlenberg im Planungs-, Umwelt und Mobilitätsausschuss.

Von allen Seiten aller Beteiligten gab es erstmal Lob für den Gutachter Dr. Michael Kerth, der zusammenfassend anschaulich die wichtigsten Ergebnisse seiner Untersuchungen vorstellte. „Die Schwachstelle ist, dass nicht sichergestellt ist, dass das Sickerwasser vollständig erfasst wird“, machte der Experte in seiner Gefahrenabschätzung klar.

Weitere giftige Stoffe?

Während in den vergangenen Jahren überwiegend von den hochgiftigen mindestens 35.000 Ölpellets gesprochen wurde, deutete Kerth an, dass Schadstoffe wohl auch von vielen anderen Materialien stammen.

Ort des Umweltskandals: Der Mühlenberg in Schermbeck-Gahlen
Ort des Umweltskandals: Der Mühlenberg in Schermbeck-Gahlen © FFS | Erwin Pottgiesser

Er kommt zudem zu dem Urteil, dass es gravierende Wissensdefizite gebe, die geschlossen werden müssten. Dazu zähle die Frage: „Gibt es einen Sickerwasserübertritt in die Randgräben?“

Abtragung wohl nicht möglich

Da eine Abtragung des gesamten Mühlenbergs samt Herausholen aller Giftstoffe wohl schon aus Kostengründen ausscheide, mahnte der Gutachter jetzt zu Verhindern, dass das extrem belastetet Sickerwasser die Verfüllung verlässt.

Wie das allerdings praktisch geschehen solle, konnte auch er nicht sagen. Die von den Schermbecker Grünen immer wieder geforderten zusätzlichen Bohrungen um Klarheit über die Zusammensetzung des Mühlenberges zu erhalten, hält Dr. Kerth für wenig zielführend: „Jede Bohrung wäre nur ein kleiner Nadelstich.“

Wer soll es bezahlen?

Die Kostenfrage stellte Florian Schanz (SPD): „Für die vollständige Sickerwassererfassung wird 15 bis 50 Millionen Euro angesetzt. Wie soll das gehen, wenn selbst die Firma Nottenkämper nur einen Jahresumsatz von elf bis zwölf Millionen Euro aufweist?“ Manuel Schmidt (Die Partei) war einer der kritischsten Redner, der davon sprach, dass „alle beteiligten Akteure eine Art Müllmafia“ bilden würden. Vor allem an der Firma Nottenkämper und auch den Kontrollbehörden ließ er kein gutes Haar.

So sieht die ehemalige Tongrube aus der Luft aus.
So sieht die ehemalige Tongrube aus der Luft aus. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Mehrfach ergriff Stefan Steinkühler (Grüne) das Wort und forderte – ebenso wie Klaus Roth (BfB) – vor allem vom Kreis Wesel Demut sowie eine Entschuldigung ein. Angesprochen war Helmut Cichy, Vorstandsmitglied für den Bereich um Welt des Kreises Wesel.

Dieser entgegnete auf konkrete Vorwürfe, der Kreis habe als Kontrollorgan versagt: „Ich widerspreche der Aussage eines Versagens des Kreises, es war eine unglückliche Entwicklung.“

Kritik an Kreis und Nottenkämper

Mehrfach wurde – unter anderem von Egon Stuhldreier von der CDU – kritisiert, dass der Kreis Wesel der Firma Nottenkämper quasi alles erlaubt habe.

Stuhldreier fragte Cichy ganz konkret: „Haben Sie eigentlich noch Vertrauen zu der Firma Nottenkämper?“ Darauf antwortete der Kreis-Vorstand: „Ich habe grundsätzlich zu keinem Vertrauen – außer zu meiner Frau und meiner Tochter. Es ist gebotene Skepsis an den Tag zu legen, aber auch die Art und Weise, dass man fair miteinander umgeht.“

Prof. Jens Utermann vertrat das Umweltministerium und gab bekannt, dass dem Kreis jetzt ein Gutachter zu Seite gestellt werde. Ein Geschickter Schachzug von Helmut Cichy war es, sofort das Gutachterbüro von Dr. Michael Kerth vorzuschlagen, dem ja erst kurz zuvor unter anderem die kritischen Vertreter der Gahlener Bürgerforums großes Lob gezollt hatten.

Zustimmen werden aber wohl alle dem weisen Schlusswort des Ausschussvorsitzenden und CDU-Fraktionschefs Rainer Gardemann: „Wir müssen jetzt alles dafür tun, dass von diesem Drecksberg keine Gefahr mehr für Mensch, Tier und Umwelt ausgeht.“

>>> NEUER GAHLENER UMWELTSCHUTZVEREIN GEGRÜNDET:

Der Gahlener Umweltschutzverein (GUV) hat sich – wie erst jetzt bekannt wurde – bereits Mitte des Jahres gegründet. Vorsitzender ist Stefan Steinkühler, sein Stellvertreter Matthias Rittmann.

Der Verein setzt sich insbesondere ein für eine Auskofferung und Beseitigung der in den Gahlener Mühlenberg eingebrachten Giftstoffe (unter anderem Ölpellets, Kronocarb) sowie für eine umweltverträgliche Sanierung und bestmögliche, dauerhafte Absicherung des Mühlenbergs sowie den Erhalt und die Entwicklung der umgebenden Landschaft ein.

Hierbei handelt es sich um Aufgaben, die über Generationen aktiv begleitet werden müssten. Der Gahlener Umweltschutzverein unterstützt dabei aktiv das Gahlener Bürgerforum.