Wesel. Kunst unter freiem Himmel ist unwiederbringlich verloren, wenn sie an einem Haus hängt, das abgerissen wird. Das will Claudia Bongers verhindern.

Die Niederrheinhalle, der große Weseler Veranstaltungsort, ist zum Sorgenkind geworden. 1955 erbaut, muss das marode Gebäude entweder grundlegend saniert werden oder es wird abgerissen und etwas Neues kommt.

Nach der Insolvenz des Pächters steht der außergewöhnliche Bau, der seit sechseinhalb Jahrzehnten die Weseler begleitet, noch mehr vor dem Zerfall.

Auch das Kunstwerk an der Straße „An de Tent“ ist in die Jahre gekommen. Kunstwerk? Diese Frage werden sich viele stellen, die die rückwärtige Fassade der Niederrheinhalle nie näher betrachtet haben.

Auch Claudia Bongers ist es so gegangen. Die Kunst- und Kulturhistorikerin, die das Café Minchen gleich um die Ecke betreibt und gleichzeitig Geschäftsführerin des Niederrheinischen Kunstvereins ist, hat sich dennoch näher mit den Keramikelementen befasst, die unter dem blauen Niederrheinhallen-Schriftzug stehen. Sie spürte sogar Margarete und Heinrich Tuttas auf, die sie geschaffen haben. In Ratingen lebt das Ehepaar, das einst das Keramag-Atelier leitete. Und genau aus diesem Atelier stammen auch die Keramik-Bausteine an der Niederrheinhalle, genauer gesagt handelt es sich um Feuertonkeramik.

Margarete und Heinrich Tuttas - hier vor dem Mausoleum der Familie in ihrem Wohnort Ratingen.
Margarete und Heinrich Tuttas - hier vor dem Mausoleum der Familie in ihrem Wohnort Ratingen. © claudia bongers

Claudia Bongers gefällt die Betonung der Horizontalen, die so gut zur flachen Landschaft des Niederrheins passt. Und ihr gefallen die Farben inmitten der weiß glänzenden Fläche: Gold, Grau, Braun, Schwarz und Rostrot.

Stadtwerkehaus

Sie hat sich ausgiebig mit der Kunst im öffentlichen Raum in Wesel beschäftigt und bedauert es sehr, dass nur wenige individuelle Werke ähnlicher Art erhalten geblieben sind. Damit meint sie Arbeiten, die nach dem Krieg entstanden. Sollte es zum Abriss kommen, wäre wohl wieder ein Zeitzeugnis samt Keramag-Firmengeschichte verschwunden, so wie einst beim Stadtwerkehaus, wo jetzt das Esplanadecenter steht. Dort zierten Mosaiken die Fassade.

Schön fände es die Fachfrau, wenn es einen Platz für die großformatige Arbeit geben würde, etwa im Foyer eines möglichen Neubaus, über den ja bekanntlich noch nicht entschieden ist - vielleicht auch im Kombibad. „Das wäre nachhaltig und würde ein Zeugnis unserer Geschichte erhalten“, sagt sie. Eventuell gebe es beim Ministerium für Heimat Gelder zur Erhaltung der Fassade.

Auch an der Windstege 5 ist ein Kunstwerk

Das Ehepaar Tuttas schuf übrigens viele solcher Werke, so an einem Brunnen der Uni Bochum und einem Glockenturm in Brüssel. Auch in Wesel, am Bauvereinshaus an der Windstege, waren die beiden aktiv. Das Werk mit den Arbeitern heißt „Gemeinschaft“.