Wesel. Zum vierten Mal stellt sich Bürgermeisterin Ulrike Westkamp (SPD) den Wählern. Ein Gespräch an ihrem Lieblingsplatz, der Aue, und ein Interview.
Abends, nach getaner Arbeit, ist Bürgermeisterin Ulrike Westkamp häufiger mal in der Aue unterwegs. Kein Wunder.
„Wir fallen ja quasi hier raus“, sagt sie lachend und deutet auf ihr Haus, das unmittelbar an den Bereich grenzt. Oft wird die 60-Jährige, die bereits zum vierten Mal in Folge für die SPD Bürgermeisterin werden möchte, vom Muhen der Heckrinder geweckt. Das sei wildromantisch. Zuletzt zählte sie 16 Exemplare, darunter auch Kälbchen. Vielleicht ist dies eine Erinnerung an ihre Kindheit, in der sie oft im ländlichen Obrighoven bei ihren Großeltern übernachtete.
Mit dem Schrittzähler
Über 6000 Schritte zeigt Westkamps Schrittzähler an, wenn die kleine Runde beendet ist, die auch an den Weiden der Heckrinder vorbeiführt. Demnächst könnten es noch einige Schritte mehr sein, die sie zusammen mit ihrem Ehemann zurücklegt. Nämlich dann, wenn die Natur auf der Aueseehalbinsel auf Kultur trifft. Das ist eine Idee der SPD, der sie seit 1992 angehört. In Schottland habe sie so etwas schon einmal vor vielen Jahren gesehen.
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Auch eines ihrer Wahlplakate, das an vielen Stellen Wesels zu finden ist, entstand auf der grünen Wiese in der Aue. Eine blaue Jacke trägt die Sozialdemokratin darauf und strahlt in die Kamera.
Mit Blick auf die Kommunalwahl führten wir mit Ulrike Westkamp ein Interview mit Fragen rund um die Kreisstadt.
Warum glauben Sie, dass Sie seit 2004 bereits zum vierten Mal in Folge wieder zur Bürgermeisterin gewählt werden?
Als Bürgermeisterin habe ich viel für unsere Stadt erreicht. Die Weselerinnen und Weseler kennen mich seit vielen Jahren und wissen, dass auf mich Verlass ist. Mit meiner langjährigen Erfahrung und besten Kontakten möchte ich auch zukünftig die positive Entwicklung Wesels gestalten.
Welches Thema möchten Sie in der neuen Wahlperiode als Erstes angehen, wenn sie erneut Bürgermeisterin werden?
Es gibt nicht nur ein Ziel, das ich als Erstes angehen werde. Herausragende Themen, die ich gleichzeitig verfolge, sind das Sanierungspaket in den Weseler Schulen, das Kombibad am Rhein und bezahlbarer Wohnraum.
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Wenn die Südumgehung 2025 fertig ist, wird es in der Stadt weniger Verkehr geben. Eine Entlastung der B8 sowie der Schermbecker Landstraße ist aber nicht zu erwarten. Was ist zu tun?
Bereits heute ist die Schermbecker Landstraße mit rund 27.800 Fahrzeugen am Tag belastet. Nach Fertigstellung der Südumgehung werden es mehr als 29.000 sein. Die Leistungsfähigkeit dieser Straße ist schon jetzt überschritten. Täglich staut sich hier der Verkehr zu Stoßzeiten. Dies gilt besonders für den Bereich zwischen Hagerstownstraße und Rudolf-Diesel-Straße. Im Bundesverkehrswegeplan 2030 sind die Projekte zur B 58 (Schermbecker Landstraße) in Wesel berücksichtigt. Der Bedarf der verkehrlichen Verbesserung wird in diesem Planwerk festgestellt. Es darf aber nicht gewartet werden, bis die Südumgehung fertig ist. Ich fordere von Bund und Land, dass sie jetzt mit den konkreten Planungen starten. Wir wissen alle: Das Jahr 2025 ist quasi „morgen“. Vor allem ein Ausbau zwischen Hagerstownstraße und Rudolf-Diesel-Straße ist vorrangig. Seit Jahren wird dafür extra Platz vorgehalten. Eine weitere wichtige Entlastungsmaßnahme wäre ein neuer Autobahnanschluss an der B 70 bei Brünen. Eine Entscheidung der Stadt Hamminkeln für eine Variante der Ortsumgehung für Brünen ist dafür erforderlich.
Die Weseler Schulen sind gut aufgestellt, heißt es immer wieder. Oder gibt es doch das ein oder andere Manko? Und kann sich eine Stadt wie Wesel das fast 100 Millionen € umfassende Sanierungspaket überhaupt leisten?
Die Stadt Wesel muss und kann sich das Sanierungspaket an den Weseler Schulen leisten. Es soll in den nächsten zehn Jahren realisiert werden. Dieses Sanierungspaket ist zugleich ein Bildungspaket und bedeutet: Investitionen in die Zukunft! Damit stärken wir unsere Kinder und Jugendlichen und zugleich nachhaltig den Wirtschaftsstandort Wesel.
Rund um die Aue gibt es viele Möglichkeiten der stillen Erholung. Müsste Wesel noch andere Angebote für Bürger und Gäste schaffen? Und wenn ja, welche?
Wesel verfügt schon heute über ein gutes Angebot für Bürgerinnen, Bürger und Gäste. Ein gutes Angebot lebt jedoch von einer stetigen, aber behutsamen Weiterentwicklung. Das heißt aus meiner Sicht: weitere Förderung des Radverkehrs mit neuen Radwegen, Erholungspark Aue mit Kunst, Natur und Erholung auf der Halbinsel, Kombibad am Rhein mit Verlagerung des Minigolfplatzes an den Auesee, Aufwertung der Rheinpromenade und Umbau des Kanuheims an der Lippe durch den Lippeverband zu einem Bildungs – und Erlebnisort.
Der Handel im Internet macht den Geschäftsleuten immer mehr zu schaffen. Was ist dringend nötig, damit die Innenstadt nicht verödet? Und was passiert, wenn der Kaufhof – zum Beispiel wegen hoher Mietforderungen – doch noch die Hansestadt verlässt?
Der Kaufhof hat erklärt, in Wesel zu bleiben. Dringend nötig ist, dass Hauseigentümer Mieten aufrufen, die die Geschäftsleute auch bezahlen können. Wesel-Marketing muss weiterhin bewährte Veranstaltungen anbieten und mit der Werbegemeinschaft neue, zeitgemäße Formate entwickeln. Dies wird die eigenen Bürgerinnen und Bürger sowie Gäste in die Innenstadt ziehen. Das hat bisher gut geklappt. Nicht umsonst haben wir eine der am meisten besuchten Fußgängerzonen in Deutschland. Außerdem kann ich nur an jeden Weseler und jede Weselerin appellieren, in der eigenen Stadt einzukaufen. Jede und jeder kann – und sollte – einen Beitrag dazu leisten, dass wir in Wesel eine attraktive Innenstadt haben.
Es gibt immer mehr Singlehaushalte und ältere Menschen – ist Wesel hier gut aufgestellt? Reichen die Angebote in der Kreisstadt für eine immer älter werdende Gesellschaft aus? Was muss unbedingt getan werden?
Es muss weiterhin bezahlbarer Wohnraum, für Alleinstehende und Familien, gebaut werden. Vorhandener Wohnraum muss Zug um Zug modernisiert und heutigen Standards angepasst werden, insbesondere auch unter energetischen Gesichtspunkten. Dabei setzen wir auf unsere beiden vor Ort aktiven Bauvereine und private Investoren. Ich halte es für wichtig, dass es noch mehr barrierefreie Wohnungen in allen Ortsteilen gibt. So können Menschen im Alter möglichst lange in ihrer vertrauten Umgebung bleiben. Dazu gehört auch, dass die gesundheitliche Versorgung und die Dinge des täglichen Lebens möglichst wohnortnah erledigt werden können. Gemeinsam mit dem Seniorenbeirat und anderen Akteurinnen und Akteuren sind neue Ideen für ein altengerechtes Wesel zu entwickeln und umzusetzen.
Schließt die Schule, stirbt das Dorf, heißt es. Was ist nötig, um das Leben in Wesels Dörfern besonders für junge Familien attraktiv zu machen?
Wir brauchen ein attraktives Angebot in den Dörfern. Dazu gehören Kinderbetreuung in Kindertagesstätten und durch Tagesmütter und -väter, Schulen, Jugendeinrichtungen, gute Spiel- und Sportplätze sowie ein – gegenüber heute – deutlich verbesserter Öffentlicher Personennahverkehr. Mit der Teilnahme am Leader-Programm der EU ist es uns in Wesel gelungen, in den Ortsteilen Bislich, Ginderich und Büderich Dorfentwicklungskonzepte und neue Projekte für alle Generationen anzustoßen. Beispiele dafür sind die Dorfschule in Ginderich mit ihrem bunten Angebot für Jung und Alt oder der Umbau der Weseler Straße in Büderich.