Wesel. Wenn das Grün über den Gartenzaun rankt oder Missverständnisse zum Streit führen, ersetzen Schiedsleute das Gericht - und vermeiden hohe Kosten.

Friedrich Schiller kannte schon im 18. Jahrhundert das Problem: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“, schreibt er in „Wilhelm Tell“. Seit Schillers Zeiten hat sich daran nicht viel geändert. Und deshalb gibt es Schiedspersonen, die bei Nachbarschaftsstreitigkeiten und kleineren Delikten ehrenamtlich Streit schlichten.

In Wesel gibt es sechs Schiedsbezirke, und die Schiedspersonen werden als Dankeschön einmal im Jahr von der Stadt Wesel eingeladen, bei einer Tasse Kaffee und leckerem Kuchen Erfahrungen auszutauschen und einfach einen schönen Nachmittag zu verbringen.

Beitrag zum sozialen Frieden in der Stadt

Jetzt war es wieder so weit – diesmal coronabedingt nicht im Café, sondern im Ratssaal. Bürgermeisterin Ulrike Westkamp hatte eingeladen und betonte den Beitrag der Schiedsmänner und -frauen zum sozialen Frieden in der Stadt.

Es gibt immer einiges zu erzählen bei dieser Veranstaltung: Margret Radsak ist seit fünfzehn Jahren Schiedsfrau und hat schon manches erlebt. So scheinen Pflanzen aller Art ein großes Potenzial für Streitigkeiten unter Nachbarn zu bieten. Ob ein Baum ins Nachbargrundstück wächst oder das Laub des Einen den Anderen stört – so etwas kann sich zu einem Rechtsstreit auswachsen. Auch tatsächlich vorhandene oder wegen eines Grolls auf den Nachbarn nur eingebildete Videokameras geraten zunehmend ins Visier der Ehrenamtler.

Manchmal hätte reden geholfen

Manchen Menschen scheint der Dienst der Schiedsleute so gut zu gefallen, dass sie immer wieder die Schlichtungskompetenz in Anspruch nehmen. Oft sind es aber auch Missverständnisse, die dazu führen, dass die neutralen Schlichter in Anspruch genommen werden: So berichtet Jörg Thelen, der außerdem auch noch als Schöffe tätig ist, von einer Mietstreitigkeit, bei der die Mieter dem Vermieter eigentlich helfen wollten, Ansprüche gegen einen Dritten durchzusetzen.

Dieser aber bekam das Ganze in den falschen Hals und strengte ein Schiedsverfahren gegen seine Mieter an. „Hätten sie mal eher miteinander geredet“, kommentiert Thelen den Umstand, dass sich erst bei ihm das Missverständnis aufklärte.

Verhandlungen im Wohnzimmer der Schiedspersonen

Teuer sind auch solche Missverständnisse nicht: Eine Verhandlung kostet 10 Euro, kommt es zu einem Vergleich, werden 25 Euro fällig. In besonderen Fällen kann die Schiedsperson diese Gebühr auf 40 Euro anheben.

Die Verhandlungen finden meist im Wohnzimmer der Schiedspersonen statt – und das ist nicht ganz ungefährlich: Berechtigte Ängste hatte Jörg Thelen zum Beispiel einmal um seinen Weichholztisch, der in Verbindung mit einer reich geschmückten, temperamentvollen Dame fast der Zerstörung durch buchstäbliches „Auf-den Tisch-Hauen“ anheimgefallen wäre. In den Jahren als Schiedsperson hat man einen guten Einblick, wie bunt das Leben auch in Wesel sein kann...