Wesel. Zugfahren wie anno dazumal, das ist in Wesel möglich. Dafür sorgt der Verein Historischer Schienenverkehr Wesel, so wie zu Pfingsten.

Pünktlich um 12.55 Uhr setzt sich bei Kaiserwetter am Pfingstsonntag ein kleiner Zug des Vereins „Historischer Schienenverkehr Wesel“ in Bewegung. Nur wenige Passagiere haben ihren Platz in einem der drei Waggons unter Einhaltung des Sicherheitsabstands eingenommen. Sie haben bei Lars Lähnemann, dem Schriftführer des Vereins, eine Fahrkarte gelöst und warten nun auf eine Fahrt in die Vergangenheit.

Der Zug, der an der Rheinpromenade gehalten hat, fällt aus der Zeit. Angeführt von einer kleinen Diesellokomotive der Firma Deutz aus dem Jahr 1956 geht die ungewöhnliche Reise los. Schon der erste Eindruck verrät, dass hier manches anders ist. Der Lärm in den vier „Donnerbüchsen“ genannten zweiachsigen Wagen ist beträchtlich. Eine Unterhaltung ist kaum möglich. Gemütlich ist es in den rumpelnden Waggons absolut nicht.

Dampflokomotiven bewundert

Beschwerden über den mangelnden Komfort im Wagen, der seit 1920 im Einsatz ist, gibt es allerdings nicht. Im Gegenteil: Die Familie Elsweiler ist begeistert. Großvater Erich erinnert sich lebhaft daran, dass er früher in diesen Wagen schon nach Münster gefahren ist; sein Sohn Erik weiß noch, dass er schon als vierjähriger Knirps Dampflokomotiven bewundert hat und meint mit Blick auf seine kleine Tochter Erika: „ …damit die Kleine mal sieht, wie man früher gereist ist.“ Sie wollen gemeinsam erleben, „wie es früher war“ und genießen die ungewöhnliche Fahrt.

Wer heute die Strecke mit dem historischen Zug bis zum Endhaltepunkt „Hohe Mark“ fährt, der will nicht einfach von A nach B: Heute ist der Weg das Ziel – und das heißt Eisenbahnromantik erleben. Das meinen auch die drei jungen Mitreisenden, die bereits vor Wochen ihre Fahrkarten im Internet gebucht haben. Michelle Giesen mag den Lärm und das rustikale Reisen und ist froh, dass das sterile Ambiente mit Klimaanlage eines ICE hier fehlt. Dass man sich während der Fahrt auf den Plattformen, die die Waggons miteinander verbinden, im Freien aufhalten darf, findet sie besonders cool.

Erich Elsweiler mit Enkelin Erika und Sohn Erik genießen das nostalgische Ambiente trotz Mund-Nasen-Schutz.
Erich Elsweiler mit Enkelin Erika und Sohn Erik genießen das nostalgische Ambiente trotz Mund-Nasen-Schutz. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

Sachkundig begleitet Ralf Schauerte, selbst ausgebildeter Lokführer, und Gründungsmitglied des Vereines, per Mikrofon die Reisenden mit Informationen.

Der Historische Schienenverkehr Wesel nutzt die Trassen der Hafenbahn Wesel, der RWE-Industriebahn sowie die Gleise von DB Netz im Bahnhof Wesel. Von ihm erfährt man auch, dass der Lokführer sich über das Stellwerk in Emmerich die Fahrt durch den Weseler Bahnhof genehmigen lassen muss, da hier mehrere Nahverkehrslinien kreuzen.

Kein Besuch des Alten Wasserwerks

Er bedauert, dass ein Besuch des Alten Wasserwerkes, sonst Bestandteil des Gesamtkonzeptes der kleinen Reise, zur Zeit nicht möglich sei, da noch ein schlüssiges Hygienekonzept für die engen Räumlichkeiten fehle.

Nach der Fahrt über Fusternberg durch Wald und Wiesen erreicht der Zug den Haltepunkt Hohe Mark, wo die kleine Lok über ein Umfahrgleis wieder an die Spitze gesetzt wird. Bevor es wieder zurück geht, erinnert sich Erich Elsweiler noch einmal an die Gefahr, die das Reisen mit Dampflokomotiven wegen des Funkenflugs damals mit sich brachte.„Früher mußte alle zwei bis drei Tage die Feuerwehr kommen, weil der Wald brannte.“

Weitere Touren sind geplant: So soll am 1. November der Grünkohl-Express rollen. Dann wird zum Mittag- oder Abendessen im Kesselhaus des Alten Wasserwerks gestoppt. Die Fahrten sind um 11 und 17 Uhr. Infos: http://www.hsw-wesel.de.