Wesel. Das ist schon etwas anderes, online zu proben. Diese Erfahrung machte auch Christian Braumann, als es statt in die Aula vor den Computer ging.
Die Handys sind gezückt, die Noten aus dem Netz geladen: Mir und meiner Frau steht eine Premiere bevor. Schön gemütlich im Gartenhäuschen werden wir unsere erste Online-Chorprobe erleben.
Der Musikverein hat eingeladen, über YouTube mitzumachen. Und pünktlich um 19.30 Uhr geht es – wie beim Städtischen Musikverein Wesel üblich – los. Dominik Giesen, der Chorleiter, meldet sich von zuhause aus, um die virtuelle Chorprobe zu leiten. Und so klein ist der Chor nicht, der sich vor den heimischen Geräten eingefunden hat.
Total ins Blaue hinein
Immerhin zwischen 28 und 32 Teilnehmer werden in den nächsten knapp eineinhalb Stunden alles versuchen, um das straffe Programm zu bewältigen. Insgesamt werden über 100 virtuelle Chormitglieder Teile des Abends begleitet haben.
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Der Schlüsselsatz kommt gleich zu Anfang: „Onlineproben sind deshalb schwierig, weil sie online stattfinden“, benennt Dominik Giesen das Grundproblem: Die Sänger können ihn zwar hören und sehen, aber umgekehrt bekommt er keine Rückmeldung, wie seine Bemühungen wirken.
„Man spricht, singt und spielt total ins Blaue hinein“, beschreibt der Chorleiter die ungewöhnliche Situation. Nach einem kurzen „Einsingen“, das darin besteht, dass der Chorleiter erklärt, worum es dabei geht, kommt auch schon gleich das erste Stück: „Abendfrieden“ von Johann Abraham Schulz, ein einfacher vierstimmiger Satz.
Vom Blatt singen
Für meine Frau, die einigermaßen vom Blatt singen kann, ebenso wie für mich, der eigentlich alles vom Blatt singt, kein Problem. Und alsbald werden die Nachbarn von schönem Sopran und richtigem Bass beschallt. So weit, so gut.
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Gerade bin ich dabei, mir vorzustellen, wie das wohl in anderen Gartenhäusern klingt, wo nicht einer der zwei Sänger professioneller Musiker ist, da kommt auch schon das zweite Stück des Abends: „The blue bird“ von Charles Villiers Stanford.
Ein gedankliches Päuschen
Und das wird schon etwas schwieriger, auch weil die rhythmische Struktur nicht so einfach ist, wie beim ersten Stück. Außerdem ist es sehr langsam – und das ist oft schwerer zu singen als schnelle Stücke. Die sechs vorgezeichneten Bs machen meiner Frau das Blattsingen nicht leichter, so dass ich in ihre Stimme wechsle. Schön unisono geht es dann aber.
Ein kleines gedankliches Päuschen legen wir dann bei einem Exkurs des Chorleiters über Obertöne ein. Meiner Frau ist es zu viel Theorie („Ich will singen“) und ich hab das schon mal gelernt. Aber die Pause tut uns gut: Ich finde Onlineproben viel anstrengender als analoge. Zum Abschluss gibt es „A little Jazz Round“, von Dominik Giesen selbst komponiert. Hier können wir selbst aussuchen, welche Stimmen wir singen – und meine Frau improvisiert einfach noch eine dazu. Das macht jetzt wieder Spaß.
Hoffen auf „richtige“ Proben
„Ich mache das auf jeden Fall weiter, damit einfach das regelmäßige Singen nicht einschläft“, zieht Chorleiter Dominik Giesen hinterher Bilanz. Auch aus dem Musikvereinschor haben ihn positive Rückmeldungen erreicht – aber sicher hoffen auch die Sängerinnen und Sänger des Musikvereins auf bessere Zeiten und wieder „richtige“ Chorproben.
Computer statt Aula
Das hat es in der 108-jährigen Geschichte des Städtischen Musikvereins Wesel auch noch nicht gegeben. Doch die Not und natürlich die Digitalisierung machen erfinderisch. Also gab es in der vergangenen Woche die erste Online-Chorprobe.
Statt in der Aula der Ida-Noddack-Gesamtschule an der Martinistraße versammelten sich die Sangeswilligen daheim vor dem eigenen PC, um die Chorprobe unter der Leitung von Dominik Giesen mitzumachen.
Bislang hatte der Chor des Musikvereins vor, am 27. September das „Requiem“ von Charles Villiers Stanford im Willibrordi-Dom aufzuführen.