Schermbeck. Um ihr Kurzarbeitergeld aufzubessern, heuern Hotel-Mitarbeiter unter anderem beim Bauern und im Einzelhandel an - und haben sogar Spaß dabei.
Normalerweise arbeitet Fine Fest an der Rezeption des Schermbecker Landhotel Voshövels. Doch da das Haus wegen der Corona-Situation keine touristischen Übernachtungen mehr anbieten darf, gab es für die 23-Jährige schon nach wenigen Tagen nicht mehr zu tun. Seitdem erhält sie Kurzarbeitergeld - also nur 60 Prozent ihres sonstigen Gehalts.
So sieht es im Waldhotel Tannenhäuschen aus
96 Prozent der etwa 140 Mitarbeiter des Weseler Waldhotels Tannenhäuschen sind zurzeit in Kurzarbeit. Auch hier hat sich Hoteldirektor Daniel Brünenberg nach Alternativen für seine Mitarbeiter umgeschaut: „Ich wusste ja, dass Edeka Komp hier Läden in der Nähe hat, da habe ich direkt den Kontakt hergestellt.“ Eine Mitarbeiterin aus der Kosmetikabteilung und ein Masseur seinen als Erntehelfer beim Spargelstechen im Einsatz. „Dass sie wenigstens etwas den Verlust auffangen können, ist schon wichtig“, erklärt Brünenberg.
Denn: Nur mit zwei Dritteln ihres normalen Gehalts über mehrere Wochen auskommen zu müssen, sei beispielsweise für eine alleinerziehende Mutter „schon sehr heftig.“
Da ihr Chef Christopher Klump mit dem Biobauern Eckhard Holloh befreundet ist, erfuhr er, dass viele Landwirte in der jetzigen Zeit bedarf an Helfern haben. Innerhalb kürzester Zeit vermittelte er 18 seiner Angestellten vom Hotel auf den Acker. Genauer gesagt auf einen Acker in Weselerwald, wo es galt 750.000 Kartoffeln zu pflanzen.
Lohn aufstocken
Fine Fest war eine von diesen landwirtschaftlichen Helferinnen, sie konnte dadurch ihren Lohn immerhin auf etwa 80 Prozent aufstocken. Wie sie berichtet, habe die Arbeit ihr sogar richtig Spaß gemacht: „Und es war richtig schön, die Kollegen auch mal wiederzutreffen“, ergänzt sie. Körperlich sei es weniger anstrengend gewesen, als sie befürchtet hatte - lediglich der Rücken habe vom vielen Bücken gelegentlich etwas gezwickt. Der Hauptunterschied: Nach der Arbeit auf dem Acker war die 23-Jährige deutlich dreckiger als nach einer Schicht an der Hotel-Rezeption.
„Die Hotel-Mitarbeiterinnen haben sich wirklich geschickt angestellt“, lobt auch Landwirt Eckhard Holloh, sein vorübergehendes Personal. Auch er hat das Gefühl, dass dem Personal des Landhotels der ungewöhnliche Arbeitsplatz auf der Kartoffel-Setzmaschine Freude bereitet habe: „Sie haben vor allem das Gruppenerlebnis genossen, aber auch die frische Luft und den Sonnenaufgang in Weselerwald.“
Das Team zusammenhalten
Christopher Klump ist froh, dass er relativ zügig für viele seiner Mitarbeiter eine vorübergehende Verdienstmöglichkeit https://www.nrz.de/region/rhein-und-ruhr/corona-krise-wir-im-revier-hilft-den-ersten-betroffenen-id228981911.htmlgefunden hat. „Wir versuchen natürlich das Team zusammenzuhalten“, erklärt der Hotel-Inhaber, der sich auch selber auf dem Acker ein Bild von der Pflanzaktion gemacht hat. Dass die Voshövel-Frauen auch gute Kartoffel-Pflanzerinnen sind, hat ihn nicht völlig überrascht: „Unsere Leute kennen ja auch körperliche Arbeit.“ Auch zu einem Lebensmittelmarkt konnte er sein Hotelpersonal vermitteln.
Wie Rezeptions-Dame Fine Fest berichtet, kann sie sich gut vorstellen, demnächst nochmal als Landwirtschafts-Helfer tätig zu werden. „Ich habe mich schon bei ein paar Bauern in der Umgebung beworben“, sagt sie. Vielleicht meldet sich Biobauer Holloh auch in Kürze nochmal bei ihr: Denn der Landwirt aus Weselerwald ist sich noch nicht sicher, ob die angekündigten rumänischen Erntehelfer auch wirklich in Schermbeck eintreffen. „Sonst müsste wieder das Voshövel-Team ran - dann wäre Unkraut-Jäten im Möhrenfeld an der Reihe.“
Musik verhilft zu guter Laune
Kein Witz: Die Kartoffelsorte „Musica“ ist nicht nur eine robuste festkochende Kartoffel-Speisesorte, sie pflanzt sich offenbar am besten mit Musik. Um die Pflanzhelferinnen bei Laune zu halten, lässt Biobauer Eckhard Holloh unter anderem Opernmusik vom Traktor erklingen – so schallte Edvard Griegs Solveigs Song über den Acker in Weselerwald. „Ja, das war richtig toll - manchmal haben wir sogar mitgesungen“, berichtet Helferin Fine Fest schmunzelnd.