Wesel. In gebührendem Abstand finden Menschen am Ufer ihr Glück: Für manche sind es Steine, für andere Fische. Einige sehnen sich nach Ruhe.
Dass der Osterausflug von Familie Wißmann aus dem münsterländischen Horstmar ausgerechnet an den Rhein bei Wesel führte, ist nicht nur Zufall.
Vater Stefan stammt ursprünglich aus Dingden und hat in seiner Jugend öfter am Rhein gespielt und kennt seine ehemalige Heimat noch gut.
Als jetzt seine drei Kinder die Idee hatten, geeignete flache Steine für Steinmännchen in ihrem Garten zu suchen, kam ihm die Idee, an Ostern die rund 90 Kilometer nach Südwesten zu fahren.
Vom Fähranleger in Bislich aus starteten die fünf Wißmanns also ihre Steinsuche.
Und siehe da: Sie waren schnell erfolgreich, denn schon nach rund zehn Minuten hatte jeder einige schöne Exemplare zusammengetragen.
Mutter Simone konnte bereits zehn flache Steine auf ihrer Hand übereinander stapeln – die erst vierjährige Ina hatte immerhin schon vier Objekte eingesammelt.
Frieda (8) und Tom (10) wurden ebenfalls schnell fündig - doch noch lange nicht fertig.
„Wir wollen ja auch noch einige Steine mitnehmen, um sie dann anzumalen und irgendwo wieder abzulegen – das kommt ja immer mehr in Mode“, erläutert Simone Wißmann und zeigt auf eine Stelle etwa 50 Meter weiter, wo jemand drei bunt angemalte „Pottsteine“ wie Kunstwerke auf viel größeren Steine postiert hat.
Bislich statt Portugal
Ein Stück rheinaufwärts hat offenbar ein Kind auf einen riesigen Stein einen Regenbogen gemalt und dazu geschrieben: „Gemeinsam gegen Corona“.
Überhaupt scheinen hier die Menschen die Abstandsregeln vorbildlich einzuhalten: Außer Familien sieht man keine größeren Gruppen – und auch Spaziergänger halten den Sicherheitsabstand locker ein.
Das Ufer des Flusses ist hier bei Rheinkilometer 823 mit rund 30 Metern auch wirklich breit genug. 70 Kilometer rheinaufwärts ist das Zuhause von Maria Hasemann und Dario Koch. Das Paar hatte eigentlich in diesen Osterferien eine Europatour mit ihrem Campingmobil geplant. Sie wollten ursprünglich rund 6000 Kilometer unterwegs sein – Ziel sollte Portugal sein.
Doch wegen der Corona-Prävention heißt es jetzt: Bislich statt Lissabon. Die beiden sitzen auf Liegestühlen etwa zehn Meter vom Wasser entfernt und sind trotzdem bester Laune: „Wir wollten einfach mal raus, genießen jetzt die traute Zweisamkeit, die Sonne und die Ruhe.“
Dario Koch hat zudem seine Angelausrüstung dabei und wirft die Angelschnur mit einem Köder in die Fluten: „Wenn jetzt auch noch ein Barsch anbeißen würde, wäre das schon toll!“, sagt er und ergänzt schmunzelnd: „Lebensnotwenig wäre das aber nicht, wir auch was zu essen dabei.“
Etwa 200 Meter weiter haben es sich Gabriele Brenner (57) und Klaus Ludwig (57) gemütlich gemacht. Sie kommen aus Werne im nördlichen Ruhrgebiet und erklären: „Bei uns in der Nähe ist es ganz unmöglich so ein ruhiges Plätzchen zu finden.“ Sie schmökert in einem dicken Buch in der Frühlingssonne, er hat einen guten Fotoapparat dabei und ist auf der Suche nach schönen Fotomotiven am Flussufer.
Muscheln und Holzstücke
Einige Kinder buddeln im feinen Sand, andere sichern sich schöne Muscheln oder angeschwemmte Holzstücke.
Auch die neunjährige Lena findet eine Schatzsuche immer wieder spannend – nicht nur am Osterwochenende.
Nach knapp einer Stunde auf dem Spaziergang mit ihrer Familie am Ufer entlang sieht sie schon von weitem eine Flasche in der Sonne glänzen. Vielleicht eine Flaschenpost? Das wäre jetzt der Hit! Das Mädchen rennt hin und untersucht die Glasflasche genau, doch diese ist leider leer. Offenbar war er nur einem Biertrinker zu viel Arbeit, die Flasche wieder mitzunehmen.
Bereits aus der Entfernung erkennt man, dass Manfred Sujatta irgendetwas ganz konzentriert sucht: Mit Blick auf den Boden läuft er entlang des Ufers.
In der Hand hält er ein etwa faustgroßes steinernes Gebilde, außerdem hat er einen Beutel mit etwa einem Dutzend besonderen Steinen dabei. Der 56-Jährige aus Alpen ist ein Hobby-Steinsammler und an diesem Nachmittag schon über vier Stunden hier bei Bislich unterwegs.
„Ein paar schöne Dinge findet man garantiert immer“, sagt er voller Überzeugung und ergänzt, „man muss halt nur gründlich suchen.“
Die strahlende Sonne an diesem Osterwochenende sei von Vorteil, da würde man glänzende Oberflächen deutlich besser erkennen.
„Ein paar Halbedelsteine habe ich schon aufgesammelt“, berichtet Sujatta und zeigt seine bisherige Ausbeute. „Karneole, Achate und auch Jaspise findet man hier immer mal wieder“, schwärmt der Sammler.
Sogar Halbedelsteine gefunden
Er holt einen Stein aus seinem Beutel, den er extra aufgeschlagen hat. Im Inneren glänzt und glitzert dieser wirklich wie ein Edelstein.
„Ich schätze, das hier ist ein Jaspis“, erklärt der 56-Jährige, der auch schon Fossilien hier gefunden hat.
Es zieht ihn immer wieder an den Rhein, berichtet er und ergänzt schmunzelnd: „Man wird da schon fast ein bisschen süchtig nach: Das Spannende ist die leichte Anspannung, denn man kann ja jeden Moment auf einen tollen Fund treffen.“
Bisher sei seine österliche Suche schon sehr erfolgreich, erklärt der Alpener, möchte dann aber weitergehen. Vielleicht entdeckt er ja noch etwas ganz Besonders auf dem letzten Wegstück zum Bislicher Fähranleger.
Nach dem Sammeln „steinreich“
Dort ist aus Familie Wißmann aus dem Münsterland wieder angekommen. Vater Stefan hatte sich bereit erklärt, „so viele Steine mitzunehmen, wie noch in meinen Rucksack passen.“
Eines sei sicher, scherzt er: „Heute Abend sind wir steinreich!“