Hamminkeln. Workshops werden abgesagt, Konzerte finden nicht mehr statt. Wie kann die Szene überleben? Ein Gespräch mit dem Rockschulinhaber Marco Launert.
Wie überlebt ein Kulturschaffender in Zeiten des Coronavirus? Veranstaltungen werden abgesagt, Konzerte finden nicht mehr statt. Die NRZ fragt nach bei Marco Launert, Inhaber der Rockschule, Betreiber des Kulturbahnhofs und Plattenlabel-Chef.
Wie funktioniert eine Rockschule in Zeiten von Corona und Versammlungsverbot?
Ich habe das Konzept der Rockschule Anfang 2019 komplett umgestellt und den großen Schritt zum breit aufgestellten Musikunternehmen gemacht. Es gibt keinen Musikschulunterricht mehr, statt dessen führen wir Musikprojekte, Livemusik-Events und Musikproduktionen regional und überregional durch. Das Jahr ist komplett durchgeplant, wobei die Projekte zunächst durch eigene Vernunft, kurze Zeit danach durch das angeordnete Kontaktverbot aktuell 'auf Eis' liegen. Die entfallenen Einheiten der regelmäßigen Projekte, zum Beispiel des Großprojekts 'Musikpark Niederrhein' mit über 80 Teilnehmern werden später nachgeholt. Schwerwiegender sind die kompletten Absagen von Veranstaltungen mit Livemusik, da hatten wir zum Frühlingsbeginn eine Menge auf dem Plan.
Was machen Ihre Lehrkräfte und Projektleiter nun?
Ich arbeite mit freien Dozenten zusammen, die aktuell natürlich auch sehen müssen, dass sie finanziell abgesichert sind. Wir Musiker sind in regem Austausch über die entsprechenden Programme von Bund und Land. Irgendwie müssen wir Kulturschaffenden und Kreativen durch die Krise kommen und wir halten alle zusammen.
Sehen Sie wirtschaftliche Schwierigkeiten auf sich zukommen?
Da ich in den vergangenen Jahren viel und erfolgreich an der Neuausrichtung der Rockschule gearbeitet habe, sind entsprechende Rücklagen da, die allerdings für weitere Investitionen in die Zukunft und die musikalische Förderlandschaft der Region eingeplant waren. Durch Ausfälle in Rockschule und Kulturbahnhof Niederrhein in deutlich fünfstelliger Höhe sieht es natürlich nicht rosig aus, aber ich war und bin Optimist und sehe in jeder Krise auch eine Chance. Neue Wege müssen gefunden und die richtigen Weichen gestellt werden.
Wie wird sich die Kulturszene mit der Coronakrise verändern?
Da eine solche Situation noch nie da war, gibt es auch keine ernst zu nehmenden Prognosen. Meine persönliche sieht so aus: Es werden sich viele Dinge neu ordnen, einige Unternehmen werden auf der Strecke bleiben. Diejenigen, die allein von der Branche leben müssen, werden es in den nächsten Monaten zunehmend schwerer haben, über die Runden zu kommen - je nachdem wie lang die Krise andauert. Hier ist auch die Frage, ob sie in der Lage sind, die Hilfen von Bund und Land abzurufen und wie sie finanziell aufgestellt sind. Unternehmen im Aufbau haben es natürlich schwerer, als die Alteingesessenen, Unternehmen mit Angestellten haben es schwerer als Solounternehmen, allein wegen der Personalkosten - es läuft ja alles weiter. Wir alle hoffen das Beste und dass wir schon bald in alter Frische Gas geben können.
Wie sieht es mit dem Kulturbahnhof aus und wie soll es dort weiter gehen?
Die Fixkosten laufen weiter, eingekaufte Getränke laufen ab... was soll ich sagen? Wir können nur die Entwicklungen abwarten, aber sobald es weiter gehen kann, sind wir mit voller Kraft am Start! Auch hier nutze ich aktuell die Chance, den Club neu zu strukturieren, Verbesserungen vorzunehmen, so zum Beispiel der optimierte digitale Ticket-Vorverkauf oder endlich die neue Homepage - Dinge, die man "schon immer mal" machen wollte also. Dieses Jahr ist ja unser Jubiläumsjahr - zehn Jahre KuBa - und im Oktober führen wir zu diesem Anlass eine Festwoche durch. Vom 1. bis zum 10.Oktober gibt's jeden Tag eine tolle Veranstaltung.
Das Scala in Wesel hat bereits einen Spendenaufruf gestartet. Ist so etwas auch fürs KuBa gedacht?
Jeder hat seinen eigenen Stil - Spendenaufrufe sind nicht meins. Die Leute, die den Kulturbahnhof schätzen oder gar lieben, sollen einfach nach der Krise unsere offene Kneipe und Events besuchen, Freunde mitbringen und für ordentlichen Getränkeumsatz sorgen - ich denke das ist ein fairer Deal.
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Was wird eigentlich aus dem zweiten Helgolandalbum, das im Mai aufgenommen werden sollte?
Der Auftrag und auch der Termin vom 4. bis zum 20. Mai stehen - allerdings ist die Insel aktuell komplett abgeriegelt. Keine Gäste bedeutet null Einnahmen bei laufenden Kosten. Die bevorstehende Saison steht komplett auf der Kippe.Dass wir in solch einer Zeit keine CD mit dem Thema "Sommer, Sonne, Strandparty" aufnehmen werden, ist für uns sonnenklar und wäre gegenüber unseren vielen Freunden auf der Insel mehr als unmoralisch. Daher verschieben wir die Aufnahmen auf einen späteren Zeitpunkt und hoffen, das wir alle gut durch diese schwere Zeit kommen.
Wie muss sich das eigene Plattenlabel der Rockschule in diesen Zeiten aufstellen? Ändert sich die Arbeitsweise?
Nein, es gibt sogar digitale Neuerscheinungen in den nächsten Tagen. Doch Details werden noch nicht verraten. Das Label ist aber auch kein sich selbst tragender Zweig der Rockschule, sondern lediglich der Kanal, über den wir mit Labelcode - dem Zugang zu den Plattenläden - veröffentlichen können.