Wesel. Der Weseler Kornmarkt galt als pulsierende Ausgehmeile. Viele Kneipen sind heute dicht. Statt sich zu beklagen, blickt Wirt Jörg Bluhm nach vorn.
Gedränge auf der Straße, trink- und feierfreudige Kneipengäste und gute Laune soweit das Auge reicht: Das alles hat den Kornmarkt in den 90er Jahren zu dem gemacht, wonach sich viele Weseler in unserem NRZ-Bürgerbarometer zurücksehnen – eine beliebte Ausgehmeile im Zentrum der Stadt. „Früher waren die Leute froh, wenn sie bei uns noch rein kamen“, erinnert sich Jörg Bluhm, Inhaber der Szenekneipe „Blühmi“.
Mittlerweile hätten sich die Interessen der Gäste aber verschoben. „Klassische Eckkneipen gibt es nur noch selten.“ Auch Bluhm und seine Frau Tanja mussten sich in den 28 Jahren seit der Eröffnung ihres Lokals immer wieder neu erfinden. „An Altem festzuhalten ist schön und gut, aber irgendwann kommt auch was Neues“, so der 52-Jährige.
Entwicklung am Kornmarkt: „Weigere mich, das so negativ zu sehen“
Das Ehepaar investierte viel Geld in eine eigene Küche. „Allein so eine Kaffeestation kostet mal eben 12.000 bis 15.000 Euro“, sagt Bluhm. Anstatt ausschließlich auf Getränke zu setzen, bietet die Kneipe Tapas, Burger, Salate, Suppen und verschiedene Snacks an. „Ohne das Essen kämen wir heute nicht mehr klar.“ Auch ein Frühstücksbuffet habe es zeitweise gegeben. Doch die Idee wurde schnell wieder verworfen. „Man muss nicht alle Trends mitgehen, sondern gucken, was zum Lokal passt.“
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Dass der Kornmarkt einen schlechten Ruf genießt, kann der 52-Jährige nicht nachvollziehen. „Ich weigere mich, das so negativ zu sehen.“ Auch der Sehnsucht vieler Bürger nach den „guten alten Zeiten“, als es neben der Eckkneipe noch die Cocktail-Bar „Streets of London“, einen Irish Pub oder die Diskothek „Undercover“ am Kornmarkt gab, kann Bluhm nichts abgewinnen. „Das liegt doch auch an den Leuten selbst.“ Die Nachfrage regele das Angebot – und wenn Kunden ausbleiben, müssten Lokale nun mal schließen.
Der Weseler Kornmarkt im Wandel der Zeit
Bluhm: Gastronomie am Kornmarkt kann mit Centro mithalten
Bluhm merke das auch an seinen eigenen Gästen. „Die jüngeren Leute, die bei uns ein paar Bierchen trinken und knobeln, kommen fast alle aus den Dörfern drumherum.“ Dort, wo es noch die Gemeinschaft, den Schützenverein oder den lokalen Fußballverein gebe. „Die Bewohner in der Stadt sind in der Masse nicht unser Publikum.“
Bluhm hat sich damit arrangiert, schließlich habe er in seiner Kneipe nach wie vor gut zu tun. Trotzdem ärgere es ihn, wenn er immer wieder zu hören bekomme, warum es am Kornmarkt nicht wie früher sein kann. „Natürlich können wir hier mit den großen Hallen und Veranstaltungen nicht mithalten“, so Bluhm. „Aber die Gastronomie ist nicht schlechter als am Centro.“
Den Kneipenrückgang erklärt sich Bluhm auch mit den gestiegenen Anforderungen. „Früher hat man gesagt: Wer nichts wird, wird Wirt. Aber heute ist das nicht mehr so einfach.“ Inhaber müssten schon gewisse Grundkenntnisse mitbringen, meint der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann. Und Mut zur Veränderung. „Eine Kneipe ist wie ein Unternehmen“, so Bluhm. Wer nicht mit der Zeit geht, bleibe irgendwann auf der Strecke.