Kreis Wesel. Weil der Hausärztliche Notdienst kaum zu erreichen ist, wählen Menschen den Notruf oder gehen ins Krankenhaus. Das blockiert die Rettungsdienste

Rettungsdienst und hausärztlicher Notdienst sind zwei unterschiedliche Dinge – eigentlich. Im Rahmen der Diskussion um den künftigen Rettungsdienstbedarfsplan im Fachausschuss des Kreises Wesel zeigte sich aber, dass die Mängel beim Notdienst der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) den Rettungsdienst erheblich belasten.

Weil die Leute unter der Hausarzt-Notdienstnummer 116 117 keine Hilfe erhalten, wählen sie die 112 – oder fahren zur Notaufnahme des nächst gelegenen Krankenhauses. „Sie werden es nicht verhindern können, dass Leute weiter mit Bagatellverletzungen in die Ambulanzen kommen“, erläuterte Dr. Ralf Dittmer, stellvertretender Ärztlicher Leiter Rettungsdienst im Kreis Wesel: Die Schließung der Hausärztlichen Notfallpraxis in Rheinberg könnte dazu führen, dass sich diese Fälle mehren.

Leute die in Not sind von denen unterscheiden, die sich in Not fühlen

Auch der Ärztliche Leiter Rettungsdienst kritisierte die Praxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) scharf: „Die meisten KV-Ärzte sind nicht erreichbar, auch nicht für uns“, so Dr. Frank Höpken. „Es ist schwierig, Leute, die in Not sind, von denen zu unterscheiden, die sich in Not fühlen.“ Letztere sind Fälle für den Hausarztnotruf 116 117.

An diesem Punkt platzte Wilhelm Trippe (SPD) der Kragen: „Haben Sie das schonmal probiert? Das geht nicht!“ Er selbst habe die Nummer gewählt, „ich hing 12,5 Minuten in der Warteschleife, habe acht Mal meine Postleitzahl eingegeben“. Dann habe er aufgegeben und den Notruf gewählt. „Ich persönlich werde künftig nur noch die 112 anrufen, ganz klar.“

Fehleinsätze im Kreis Wesel künftig erfassen

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Andere Mitglieder des Ausschusses für Verkehr, Rettungswesen und Ordnungsangelegenheiten hatten ähnliche Erfahrungen gemacht. Ausschussvorsitzender Michael Nabbefeld (CDU) formulierte es so: „Die Kassenärztliche Vereinigung hat von der Struktur her ein anderes Verständnis vom Thema Service.“

Für den Rettungsdienst ist das fatal: „Die 116 117 ist katastrophal“, so Dr. Frank Höpken. Er wünschte sich, dass künftig die Einsätze erfasst werden, die unnötig gefahren werden, weil die Menschen beim Hausarztnotruf keine Hilfe finden.

Doch es gibt noch ein weiteres Problem, mit dem die Retter zu kämpfen haben. „Manche Leute warten bis 18.05 Uhr und rufen dann die 112 an“, erläutert Höpken. Menschen, die keine Lust haben, Zeit im Wartezimmer ihres Hausarztes zu verbringen und sich „einen Krankenwagen bestellen“ wollen. Sie beißen in der Regel in der Notrufzentrale auf Granit, so will sich das System nicht austricksen lassen.

Bessere Kooperation wäre nötig

Höpken wünscht sich für die Zukunft eine bessere Kooperation, die KV-Ärzte sollten gemeinsam mit dem Rettungsdienst eingeteilt werden. Das allerdings ist noch Zukunftsmusik. Ob sich die Schieflage verbessern wird, wenn künftig die Hausarztpraxen – mit Ausnahme von Schermbeck – keine Notdienste mehr haben und die Kunden in eine der künftig drei Hausärztlichen Notfallpraxen kommen sollen, ist zweifelhaft.

Die Wege sind lang und womöglich wählen dann noch mehr Hilfesuchende den Notruf und belasten die Rettungsdienste.

Patienten stehen vor Problemen

Unter der Rufnummer 116 117 sollen Patienten Hilfe von Hausärzten erhalten – abends, nachts an den Wochenenden, anders als die 112, die den Rettungsdienst alarmiert. Unter anderem weil die Telefonzentrale der Kassenärztlichen Vereinigung für ganz NRW zuständig ist, findet sich häufig nicht mal ein Gesprächspartner. Künftig soll das System im Kreis Wesel durch die Hausärztlichen Notfallpraxen ersetzt werden (die NRZ berichtete). Das bedeutet zwar feste Anlaufpunkte, aber auch weite Wege. Nach dem Arztbesuch beginnt dann die Suche nach der diensthabenden Apotheke.