Wesel. Beim Fußball-Talk im Bürgerschützenhaus Wesel findet Trainer-Legende Peter Neururer klare Worte zu Clemens Tönnies. Genauso wie Werner Hansch.

Als im Laufe des Fußballtalks im Weseler Bürgerschützenhaus die Rede darauf kam, dass Fußballprofis sich neuerdings die Hand vor den Mund halten, wenn sie miteinander reden, damit auch kein Lippenleser erfährt, was dort gesagt wird, fuhr Trainer Peter Neururer dazwischen: „Für mich ist das gelebter Schwachomatismus. Bisher habe ich meine Hand noch nie vor den Mund genommen – vielleicht wäre es aber ab und zu mal besser gewesen.“ Klare Worte fand der frühere Schalke-Trainer auch zum Fall Clemens Tönnies und zum Videobeweis.

Auch interessant

In Wesel tat er dies zum Glück auch nicht, sonst wären die rund 150 Zuhörer der amüsanten 90 Minuten vermutlich nicht so begeistert gewesen. Der 64-jährige Kult-Trainer – ebenso wie auch Ex-Profi Thomas Kastenmaier (53) redeten sich in Rage und schossen ab und zu auch übers Ziel hinaus. Dagegen wirkte die 80-jährige Reporter-Legende Werner Hansch trotz seiner markanten Sprüche wie ein ausgleichendes Element – schon fast altersweise.

Drei Katastrophen auf Schalke

Beispiel Schalke und Tönnies. Da sprudelte es aus Neururer heraus: „Er hat sich katastrophal verhalten. Diese Äußerungen darf man nicht mal denken – gegen Rassismus muss eine Lebensphilosophie sein. Aber wer Clemens kennt, weiß: Er ist kein Rassist. Was der Ehrenrat allerdings auf Schalke gemacht hat, ist die einzige Katastrophe: Drei Monate das Amt ruhen zu lassen, von sich selbst vorgeschlagen, ist der größte Blödsinn aller Zeiten.“

Hansch sagt dazu: „Es sind im Grunde ja noch mehrere Katastrophen passiert: Die Äußerung war absolut unterirdisch. Er hat sich bei den Schalker Fans entschuldigt, aber das war ja die völlig falsche Adresse. Er muss sich bei den Menschen entschuldigen, die er mit diesem Ausdruck getroffen hat. Der Ehrenrat war die dritte Katastrophe.“

Gut besucht war das Bürgerschützenhaus beim Fußball-Talk
Gut besucht war das Bürgerschützenhaus beim Fußball-Talk "Flache Pässe - Flotte Sprüche ". © NRZ | Johannes Kruck

Amüsant wurde es, wenn es in die Fußballhistorie ging. Eine von Neururers 17 Trainerstation war Alemania Aachen in den 80er Jahren.

Schlagfertiger Schiedsrichter

Einen Dialog von damals mit Schiedsrichter Wolf-Dieter Ahlenfelder gab er zum Besten: „Da brüll ich als junger Trainer in das Feld zu Schiri Ahlenfelder: ,Was pfeifst du für ‘ne Scheiße, du Penner?’ Heute wäre das doppelt Rot und eine saftige Geldstrafe! Doch was passiert? Ahlenfelder sprintet auf mich zu und ruft ,Neururer, was trainierst du für ‘ne Scheiße?’, dreht sich um und das Spiel geht weiter. Eine überragende Reaktion des Schiedsrichters!“

Vom Schiri war der Weg nicht weit zum Videobeweis.

Kastenmaier behauptet, er habe „diese Sportart ja auch mal betrieben“, verstehe sie aber mittlerweile nicht mehr: „Ich hab mich schon aufgeregt, dass die Verteidiger mit Händen auf dem Rücken agieren im Sechzehner: Ein Alptraum, den es zu meiner Zeit nicht gab – da gab’s noch ne richtige Blutgrätsche. Als Fan zweifelst du doch an deinem Verstand. Eine absolute Katastrophe!“

Videobeweis: „Ein einziges Chaos!“

Neururer ergänzt: „Der Videobeweis diskreditiert die eigenen Schiedsrichter: Da sitzen irgendwelche Vollpfosten in Köln im Keller beim halben Hahn und drei Kölsch. Ich weiß nicht, was die da tun und welche Begleitung die da haben.“

Die Handhabung sei ein einziges Chaos: „Da wird mir schlecht im Sinne des Sports.“

Werner Hansch sieht den Einsatz der neuen Technik nicht ganz so kritisch, wünscht sich aber bessere Kommunikation: „Ich bin grundsätzlich Nostalgiker. Es gab früher auch Fehlentscheidungen, die unsere schlauen Kameras beweisen konnten. Ich habe den Schiedsrichtern immer gesagt: Wenn sowas passiert, guckt euch die Bilder an und wenn ihr dann zugebt ,Hätte ich die Bilder gesehen, hätte ich anders entscheiden’, dann wird euch kein Mensch etwas anhaben können.“

Kult-Trainer Peter Neururer nahm im Bürgerschützenhaus kein Blatt vor den Mund.
Kult-Trainer Peter Neururer nahm im Bürgerschützenhaus kein Blatt vor den Mund. © NRZ | Johannes Kruck

In der Nachspielzeit des Talks durfte das Publikum Fragen stellen. Was an den Spekulationen um das Sommermärchen und ominöse Zahlungen dran wäre, wollte einer wissen.

„Beckenbauer brauchte die Stimmen“

Vor der WM 2006 war Neururer Trainer bei Hannover: „Da habe ich schon mich über Beckenbauer aufgeregt ohne Ende: ,Was soll die Scheiße, dass wir in der Winterpause im Jemen, Kairo und bei Vorwärts Vietnam spielen und ich meine Nationalspieler abstellen muss?’ Franz hat mir dann gesagt: ,Peter, halt die Füße still, wir brauchen die Stimmen, um bei uns die WM stattfinden zu lassen’ – damals vollkommen normal.“

Auch interessant

Reporter Hansch ergänzt: „In der deutschen Fußballöffentlichkeit war eigentlich immer klar, die WM Brasilien war gekauft, in Russland war sowieso gekauft, in Katar war sie doppelt gekauft – aber unser Sommermärchen war sauber. Als diese Diskussion über 6,7 Millionen losging, hätte man sagen müssen: ,Das war ja ein Schnäppchen!’ Wir waren eben nicht sauber! Franz war ein wunderbarer Mensch, freigiebig, freundlich, aber er hat Dinge unterschrieben, die er vielleicht gar nicht gelesen hat. Und natürlich musste er wissen, wo das Geld gelandet ist.“

Deutlich wurde auch nochmal Neururer zur Vergabe der Weltmeisterschaft an den Persischen Golf: „Wie geisteskrank muss ich sein, um in Katar eine WM zu machen? Aber Katar zahlt pünktlich, dann halten wir alle eben unsere Fresse!“

>>> NEURURERS VERSPRECHEN AN BÜRGERMEISTERIN WESTKAMP:

Noch heute sei er stolz, 2005 mit dem Weseler Eselorden geehrt worden zu sein, erklärte Peter Neururer. „Wahrscheinlich ist der ja nach mir benannt“, so der aktuelle Sportdirektor des Regionalligisten Wattenscheid 09.

Bürgermeisterin Ulrike Westkamp versprach er: „Ich komme gerne eine Weseler Jugendmannschaft trainieren und lade die Trainer des gesamten Vereines zum Gespräch ein.“