Wesel. Ulrich Borowka war Fußball-Nationalspieler. Dann stürzte der heute 57 Jährige wegen Alkohols völlig ab. Davon berichtete er 200 AVG-Schülern.
Als Ulrich Borowka im Jahr 1988 Fußball-Nationalspieler wurde, waren die 200 Schüler AVG, vor denen er gestern im Lutherhaus über Alkoholprobleme sprach, noch gar nicht geboren.
Deren Eltern dürften aber den „knochenharten“ Abwehrspieler von Borussia Mönchengladbach und später Werder Bremen noch in Erinnerung haben.
Gespräch mit Sportreporter-Legende Werner Hansch
Der heute 57-Jährige war damals ganz oben, hatte Millionen auf dem Konto – und stürzte wegen seiner Sucht völlig ab, hatte mehrere schlimme Unfälle, wurde kriminell und überlebte einen Selbstmordversuch knapp. Dann kam er 2000 in eine Klinik und ist seitdem nicht nur „trocken“, sondern setzt sich für Alkoholprävention ein.
So wie gestern im Gespräch mit Sportreporter-Legende Werner Hansch.
Ungewöhnlich offen berichtete der Ex-Profi darüber, wie er in die Alkohol-Sucht gerutscht ist: „Es begann mit 15 in meiner Lehre zum Maschinenschlosser, als der Geselle mir eine Flasche Bier angeboten hat. Ich habe mitgesoffen – aus Angst, dass ich sonst Probleme mit der Lehre bekommen würde. Ich konnte nicht ,nein’ sagen, das war Gruppenzwang. Erst Bier, später dann täglich ne Pulle Apfelkorn oder Cola mit Mariacron.“
Fußballerisch habe er sich alles durch deutlich mehr und härteres Training erarbeitet. „Viele haben damals gesagt, ich sei ziemlich talentfrei gewesen“, erinnert sich der 57-Jährige. Doch er wurde immer besser und 1980 kam eine Einladung zum Probetraining bei Trainer Jupp Heynckes in Mönchengladbach. „Beim ersten Probetraining habe ich beidfüßig die Bälle über den Fangzaun die die angrenzenden Gärten geschossen, beim zweiten Training zwei Spieler so umgegräscht, dass sie verletzt vom Platz mussten“, so Borowka.
Trotzdem erhielt er einen Amateurvertrag. „Im Gegensatz zu den 400 D-Mark Lehrgeld, war ich mit 2500 brutto monatlich hochzufrieden“, sagt der Ex-Kicker. Ein Jahr später unterschrieb er seinen ersten Profivertrag – Monatsverdienst war jetzt 4000 DM. Es ging steil aufwärts– obwohl er sehr viel trank.
Sein Körper konnte das erstaunlich gut verarbeiten: „Ich habe meine Leistung gebracht“, erinnert sich Borowka.
Er habe Siege mit Alkohol gefeiert, Niederlagen im Suff ertränkt. „Wenn wir gemeinsam in eine Kneipe gingen, haben die anderen drei oder vier Bier getrunken, ich aber vielleicht 15 bis 18.“
Trainer und Betreuer wussten Bescheid
Kopfschmerzen habe er am Tag darauf nie gehabt und sei beim Training und den Spielen topfit gewesen. Wie er später erfuhr, wussten Trainer und Betreuerstab am Bökelberg sehr wohl von seinem Alkoholproblem, sprachen ihn aber nie darauf an.
Wenn er mit seiner damaligen Frau nach Düsseldorf zum Shoppen fuhr, klinkte er sich nach zehn Minuten aus, steuerte eine Kneipe an, und ließ sich hinterher von seiner Frau wieder einsammeln. „Der Weg eines Suchtkranken geht immer nach unten“, sagt der 57-Jährige heute und berichtet über die ersten Ausfälle: Wie er nach einer Kneipentour nach Hause fuhr und die Autotür zuschlug, obwohl er noch einen Finger dazwischen hatte.
Den Selbstmordversuch überlebt
Wie er mehrere schwere Autounfälle verursachte – bei einem davon hatte er 1,8 Promille und ein Polizist sagte, es Grenze an ein Wunder, dass er lebendig aus dem Autowrack gekommen sei. Einbrüche, Schlägerei und häusliche Gewalt kamen hinzu, er habe auch gezockt in der Berliner Unterwelt.
Im Jahr 1996 überlebte Borowka einen Selbstmordversuch nur mit Glück.
Eine Kiste Bier und je eine Flasche Wodka sowie Whisky habe er damals täglich getrunken
„Mit dem Alkohol bin ich ein brutal schlechter Mensch geworden“, beichtet der Ex-Profi, der vorrechnet: „Einst hatte ich Millionen und war plötzlich verschuldet.“
Erst als der ehemalige Mitspieler Christian Hochstätter und Ex-Borussen-Präsident Wilfried Jacobs ihn in eine Sucht-Klink brachten, bekam er sein Leben wieder in den Griff.
Schilderungen beeindrucken die Schüler
Den Weseler Schülern rät er, sich bewusst zu werden, dass neben Alkohol auch Handy- oder Spielsucht gefährlich sei. Und er hat sogar einen konkreten Vorschlag: „Es müsste ein Sucht-Fach an Schulen geben.“
AVG-Schüler Jonas Stroetmann (16) war beeindruckt: „Die Schilderung seines Selbstmordversuchs war schon krass! Ich habe gelernt, dass man selbstbewusster sein sollte und wenn nötig auch ,nein’ sagen muss.“