Kreis Wesel. In Hamminkeln und Schermbeck wird Bündnis 90/Die Grünen zweitstärkste Kraft. Genossen verlieren in Wesel 17 Prozentpunkte, in Hünxe 15.
Herbe Verluste bei CDU und SPD, deutliche Zuwächse bei den Grünen - auch am Niederrhein zeichnet sich das Deutschland-Ergebnis ab. Besonders hart trifft es die Sozialdemokraten in Wesel mit fast minus 17 und in Hünxe mit minus 15 Prozentpunkten. Dafür legen die Grünen - wie fast überall - extrem zu. Sowohl in Hamminkeln als auch in Schermbeck wurden die zweitmeisten Stimmen für Bündnis 90/Die Grünen abgegeben. Das sind deutliche Signale, die sich auch in einer stärkeren Wahlbeteiligung widerspiegeln: 69,68 Prozent in Schermbeck (plus 6,2 %), 67,8 in Hünxe (plus 6,7), 67,11 in Hamminkeln (plus 7,6) und 58,7 in Wesel (plus 7,4).
Der Weseler SPD-Vorsitzende Ludger Hovest empfindet das Ergebnis als „schwere Warnung“ für seine Partei. Wenn der Parteivorstand nicht begreife, dass Streit keine Empfehlung ist, werde bei künftigen Wahlen Ähnliches passieren. An die SPD-Spitze müssten Frauen und Männer, die auch emotional etwas darstellten. Alles in allem sei das Wahlergebnis eines mit Ansage.
CDU in Hamminkeln will Vertrauen zurückgewinnen
Auch beim Hamminkelner CDU-Stadtverbandsvorsitzenden Norbert hinterlässt das Wahlergebnis „gemischte Gefühle“. Positiv sei, dass es in Deutschland keinen Durchmarsch der rechten und europafeindlichen Populisten gegeben habe. Für die Volkspartei CDU bedeute das Ergebnis dennoch eine Riesenaufgabe: „Wir müssen Vertrauen zurückgewinnen. Wahlen werden heute kurzfristig und ganz sicher auch im Internet gewonnen.“ Gerade die wichtige, jüngere Generationen wolle er mit der richtigen und zukunftsgewandten Politik überzeugen, nicht mit Hochglanzplakaten und analogen Wahlkampfinstrumenten. „Und schon gar nicht, indem ich sie ausgrenze oder als Schulschwänzer diffamiere,“ so Neß. Das alles gelte es bei Wahlkämpfen stärker zu beherzigen. „In Hamminkeln und seinen Dörfern liegt die CDU deutlich vorn, ist fast so stark wie Grüne und SPD zusammen. Dass die Grünen vor der SPD liegen, ist ein Novum - erklärt sich sicherlich mit dem europapolitischen Trend“, so Neß.
Die Grünen jubeln angesichts der Ergebnisse in allen Kommunen
„So nah am Bundestrend waren wir noch nie“, freut sich der grüne Hamminkelner Fraktionsvorsitzende Johannes Flaswinkel. Erstmals ist seine Partei in Hamminkeln an der SPD vorbeigezogen. Auf die Frage, ob er Spaß habe, antwortet er kurz und knapp „Ja“. Aber er weiß auch, dass das Ergebnis nicht nur auf die Arbeit der Grünen in Hamminkeln zurückzuführen ist, sondern auch auf die grünen Europakandidaten, die „ihre Botschaften glaubhaft rübergebracht haben. Das gibt uns Schwung für den nächsten Wahlkampf.“
Jubel auch bei der Schermbecker Grünen-Fraktionsvorsitzenden Ulrike Trick. „Das ist in doppelter Hinsicht erfreulich. Einmal für uns Grüne, zum anderen für unsere Umwelt.“ Der Klimawandel, das Insektensterben und anderes mehr seien bei den Menschen angekommen. „Wir nehmen den Auftrag an.“ In Schermbeck seien die Grünen ohnehin die einzigen Anwälte für Natur und Umwelt. Zahlreiche Anträge habe man im Rat gestellt, keiner sei durchgekommen - egal, ob zum Thema Glyphosat, Schotterbeete oder insektenfreundliche Anlagen.
Jan Scholte-Reh von der Hünxer SPD ärgert sich über die Selbstzerfleischung
Für Jan Scholte-Reh, Hünxer SPD-Ortsvereinsvorsitzender, kommt die Niederlage nicht überraschend. „Die SPD ist schlichtweg nicht mehr glaubwürdig in ihren Kernthemen.“ Die Grundrente sei ein richtiger Schritt, nur glaube so recht keiner, dass die SPD sie durchzieht. Man wage in Berlin den großen Konflikt mit der Koalition nicht. Auch die Positionen beim Klimaschutz, Kernthema der Jugend, seien nicht klar gesetzt. Hinzu komme die Selbstzerfleischung bei Personalthemen. Die Sozialdemokratie werde immer noch gebraucht, meint Scholte-Reh, sie müsse nur eine Linie finden, mit gutem Personal und klaren Positionen. Froh ist er nur darüber, dass die Arbeit der SPD vor Ort bessere Ergebnisse gebracht habe als sie bundesweit zu verzeichnen sind.
Für die CDU-Landtagsabgeordnete Charlotte Quik ist das Ergebnis „nicht zufriedenstellend“. Man habe augenscheinlich nicht zu 100 Prozent die richtigen Antworten gefunden. „Wir müssen uns den Fragen zum Klima- und Umweltschutz mehr öffnen“, so die Hamminkelnerin. Viele Forderungen, die jetzt auf dem Tisch liegen, stünden im Widerspruch zu dem Lebenswandel, den die Menschen haben. „Wie bekommen wir unseren Lebensstil so hin, dass er von allen mitgetragen werden kann“, fragt Quik sich.
FDP-Bundestagsabgeordneter Bernd Reuther hätte sich ein besseres Ergebnis gewünscht
Der Weseler FDP-Bundestagsabgeordnete Bernd Reuther findet zuerst Worte für die Regierungskoalition: „Die GroKo hat keine Mehrheit mehr in Deutschland“, urteilt er. Dabei habe er sich für die Liberalen ein besseres Ergebnis gewünscht. In Wesel sind es knapp drei Prozentpunkte mehr, die erreicht wurden. Dies sei eine Grundlage, auf der man aufbauen könne, so Reuther mit Blick auf die 2020 anstehenden Kommunalwahlen. Und Sascha H. Wagner, Kreissprecher und Landesgeschäftsführer der Linken in NRW, sagt: „Gut gekämpft, doch hinter den Erwartungen zurück.“