Hünxe/Bottrop. . Die Lieblingskuh von Sandra Niemann aus Hünxe sollte geschlachtet werden, doch es gab eine Rettungsaktion – mit Happy End und neuem Zuhause.

In diesem hellen Stall stehen Celine, Eva, Ingrid, Roberta, Silke, Eli, Franziska – Kühe, denen Landwirt Burkhard Sagel mit Hilfe von Eselsbrücken Namen gegeben hat – und dann ist mitten unter ihnen nun auch die Kuh mit den schwarzen Flecken auf weißem Fell, sie wird nur „995“ genannt.

„Der Name bleibt auch“, sagt Sandra Niemann aus Gartrop bestimmt. Dass ihr Schützling nur mit Hilfe einer Zahlenkombination benannt wird, zeugt nicht etwa von fehlender Zuneigung. Ganz im Gegenteil. Hinter der „995“ verbirgt sich eine Geschichte, die von der Rettung dieser Kuh erzählt.

Eine Kuh, die gern schmust

Diese Kuh, welche auf einem Milchviehbetrieb in Hünxe unter der Nummer „995“ geführt wurde, hatte es Sandra Niemann irgendwie angetan, „sie blieb immer stehen und ließ sich kraulen“. Die 41-Jährige arbeitet auf dem Hof als landwirtschaftliche Helferin. Als sie nach dem Jahreswechsel aus ihrem Urlaub zurückkehrte, erfuhr sie, dass ihre Lieblingskuh den „Weg der Milchkuh“ gehen müsse.

„Sie wurde nicht mehr tragend, gab keine Milch mehr und musste zum Schlachter“, erzählt Niemann. Sie entschied: „Nee, mit der nicht.“ Drei Wochen Zeit gab der frühere Besitzer Sandra Niemann, um 980 Euro aufzutreiben – für die alleinerziehende Mutter zweier Töchter keine einfache Aufgabe – so startete sie online einen Blog mit dem Titel „Rettet 995“, um Spenden zu sammeln. Die Aktion löste große mediale Aufmerksamkeit aus.

Viele Menschen wollten helfen

So dauerte es statt mehrerer Wochen nur wenige Tage, bis sie genug Paten gefunden hatte. Vor allem über Whats App habe sich das verbreitet. Damit hatte Sandra Niemann nicht gerechnet. Dann folgte aber die nächste Herausforderung: Ein neues Zuhause für die „995“ musste her.

Vorübergehend kam sie auf einem Hof bei Kalkar unter. Zwar Wiesen und Schafe, aber keine Artgenossen habe es dort gegeben, sagt Niemann, die weiter Gnadenhöfe, Zoos und Tierparks abtelefonierte, um sich nach einer Unterkunft zu erkundigen.

Nette Idee, wenn auch unlogisch, sagt der Bauer

Auch bei Burkhard Sagel rief sie an. Doch das erste Gespräch sei nicht gut verlaufen. Er sagte der Hünxerin ab. Eine fremde Kuh wollte er nicht aufnehmen. Dann kam er auf die Idee, die „995“ mit Hilfe von Tierpatenschaften aufzunehmen. Es gebe so viele blöde Geschichten. Den Gedanken von Sandra Niemann fand er „nett“, wenn auch „unlogisch“ – aber: „da zählt Herz und Zuneigung“.

Die Kuh 995 hat sich schon prima auf dem neuen Hof eingelebt.
Die Kuh 995 hat sich schon prima auf dem neuen Hof eingelebt. © STEFAN AREND

Nun steht die Kuh „995“ auf seinem Hof in Kirchhellen, neben Artgenossinnen, denen eben jenes Schicksal droht, vor dem Sandra Niemann die ehemalige Milchkuh gerettet hat. Burkhard Sagel ist gelernter Schweinebauer, vor einigen Jahren entschied er sich aber, Rinder zu halten. „Kühe sind klasse, sie sind freundlich, gemütlich, entspannt“, charakterisiert er die Tiere. Er betont auch, dass Landwirtschaft eben auch Wirtschaft sei, im Vordergrund steht auf seinem Hof inzwischen aber das Tierwohl. „Wir machen es den Tieren schön, auch ihr letzter Weg wird von mir begleitet“, sagt Sagel. Hofführungen und Kuhkuscheln bietet er an, um die Landwirtschaft erlebbar zu machen.

995 hat ihren Platz gefunden

Hier ist die „995“, nicht mehr eine von 500 anderen Tieren, sondern eine von 40 Kühen, ganz familiär. Seit fast zwei Wochen ist sie schon in Kirchhellen zuhause. „Das ist, glaube ich, ihr Stammplatz“, sagt Sandra Neumann und deutet in den hinteren Bereich des Stalls, wo die „995“ es sich gemütlich gemacht hat – ganz unbeeindruckt von dem Rummel um sie. Hinter der dominanten Chefkuh Eva habe sie die zweite Position eingenommen, sagt Burkhard Sagel.

Sandra Niemann rettet eine Milchkuh vor dem Schlachthof

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    Und ab April geht es dann für die Tiere hinaus auf die Weide, denn grüne Fläche gibt es reichlich. „Was Besseres hätte mir nicht passieren können“, sagt Sandra Niemann, die nun hofft, dass sich noch weitere Paten finden, damit die Kuh hier auch bleiben kann. Auf dem Hof, der nur zwölf Minuten entfernt vom Zuhause von Sandra Niemann ist. Sie und ihre Töchter – elf und 13 Jahre – können der „995“ von Gartrop aus dann auch schnell einen Besuch abstatten: ihrer geretteten Kuh aus Hünxe.

    Info und Kontakt:

    • Sechs feste Paten gibt es schon. Es werden aber noch weitere gesucht, damit die Kuh „995“ auch dauerhaft auf dem Hof in Kirchhellen bleiben kann. Informationen und Kontaktmöglichkeiten gibt es online auf dem Blog von Sandra Niemann: www.rettet995.de/blog/