Wesel/Riga. . Damit wird daran erinnert, dass die meisten jüdischen Weseler während der Nazizeit im lettischen Riga-Bikernieki ermordet wurden.

Der erst in der vergangenen Woche begangene Gedenktag zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz ist fester Bestandteil im Weseler Kalender. Und auch zum Jahrestag der Pogrome am 9. November 1938 gibt es seit Jahrzehnten bewegende Veranstaltungen. Jetzt kommt eine weitere lokale Verankerung zur Fortsetzung der Erinnerungsarbeit an das Schicksal der Weseler Juden hinzu: Wesel tritt dem Deutschen Riga-Komitee bei.

Stolpersteine für die Baums an der Rheinstraße

Denn die meisten jüdischen Mitbürger aus der Stadt an Rhein und Lippe wurden in Riga ermordet, insgesamt waren es 21. Stellvertretend für diese Opfer schildert Doris Rulofs-Terfurth vom Stadtarchiv erschütternde Details von der Deportation der Familie Baum, die einst an der Esplanade und später an der Rheinstraße lebte, wo auch Stolpersteine für sie verlegt wurden.

Großmutter Auguste, ihr Sohn Markus, der bei der Reichsbahn arbeitete, dessen Ehefrau Dorothea sowie die Kinder Heinz, Ruth, Marianne, Frieda und Dora im Alter zwischen fünf und zehn Jahren wurden am 10. Dezember 1941 zunächst von Wesel zur Gestapo-Leiststelle nach Düsseldorf gebracht. Nach einer Nacht in einem Schlachthof musste sich die Familie ab 4 Uhr für die Abfahrt mit insgesamt 1007 Menschen bereit halten. Los ging es um 10.30 Uhr in eisiger Kälte in einem Güterwaggon. 61 Stunden waren die acht zusammen mit den anderen Opfern unter menschenunwürdigen Bedingungen unterwegs. Als sie nach rund 2000 Kilometern um kurz vor Mitternacht Riga erreichten, mussten sie bei minus zwölf Grad erst einmal bis zum Morgen weiter ausharren. Anschließend wurde die Familie sofort getrennt.

Eine ganze Familie aus Wesel ausgelöscht

Vater Markus kam nach Salapils, eine südöstlich von Riga gelegene Kleinstadt, um dort mit anderen ein Konzentrationslager zu errichten. Er wurde am 5. Juli 1942 erschossen. Auch seine Ehefrau erlitt dieses Schicksal - vor den Augen ihrer Kinder im Rigaer Ghetto. Heinz, Ruth, Marianne, Frieda und Dora kamen nach Auschwitz und wurden dort vergast. Die Großmutter starb im Ghetto an den Lebensbedingungen oder im Wald von Bikernieki. Genau ist das nicht bekannt.

Immer wieder bekommt Rulofs-Terfurth Anfragen und Hinweise zu ehemaligen jüdischen Weselern, oft aus den USA und aus Australien. Und so fügt sich manchmal ein Mosaiksteinchen zum nächsten und es wird mehr und mehr bekannt, welche Schicksale hinter den Namen stehen.

61 deutsche Städte machen mit

Dem Deutschen Riga-Komitee, das es seit Mai 2000 gibt, gehören mit Wesel 61 Städte an. Sie kümmern sich um die Gedenkstätte der östlich von Riga liegenden Massengräber im Wald von Bikernieki und halten auch die Erinnerung an das Rigaer Ghetto wach. Nicht nur Juden aus Deutschland, auch lettische Opfer, politisch Verfolgte und sowjetische Kriegsgefangene sind zehn Kilometer von der Rigaer Altstadt entfernt begraben.

Die Idee für den Beitritt Wesels kam 2015 aus der Bevölkerung, 2018 nahm die SPD-Fraktion sie auf und der Rat befürwortete das Vorhaben einstimmig. 2000 Euro zahlt die Stadt nun für die Pflege der Gräber- und Gedenkstätte. Zudem wurden 10000 Euro bereit gestellt, damit Jugendliche und junge Erwachsene solche Gedenkstätten besuchen können. Zwei Weseler erhalten in diesem Jahr die Möglichkeit, am Jugendcamp in Riga teilzunehmen. Wer Interesse hat, meldet sich im Stadtarchiv.

Nur eine Frau überlebte die Deportation

Insgesamt wurden 30 Weseler jüdischen Glaubens nach Riga deportiert. Bereits am 7. Dezember waren es sechs, am 27. Januar 1942 ein Ehepaar. Fünf Weseler Kinder und eine Jugendliche wurden weiter nach Auschwitz gebracht, zwei Schwestern im Alter von 45 und 53 Jahren nach Stutthoff, wo sie starben. Nur eine Frau überlebte die Deportation und die Weitertransporte in andere Lager.

Dankbar zeigt sich Wolfgang Jung, Vorsitzender des Jüdisch-Christlichen Freundeskreises Wesel. Der Beitritt ins Riga-Komitee sei ein Teil der Erinnerungsarbeit, die in Wesel geleistet werde.

>>>JETZT FÜR DIE GEDENKFEIER ANMELDEN

Regierungspräsidentin Birgitta Radermacher überreicht am Dienstag, 5. Februar, als Bezirksvorsitzende des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge im Rathaus die Beitrittsurkunde an Bürgermeisterin Ulrike Westkamp. Zudem hält der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Mitbegründer des Riga-Komitees, Winfried Nachtwei aus Münster, einen Vortrag über die aktuelle und künftige Bedeutung des Komitees.

Wer bei der Gedenkfeier ab 18 Uhr dabei sein möchte, muss sich beim Stadtarchiv Wesel anmelden: 0281/1645400; E-Mail an archiv@wesel.de