Wesel. . Dr. Martin Roelen und Professor Dr. Margret Wensky haben sich intensiv mit der Geschichte Büderichs im 18. Jahrhundert befasst.

Viel hat man in Berlin nicht von den klevischen Städten, darunter Büderich, gehalten. „Säufer, alle miteinander verwandt, korrupt und besonders schlecht verwaltet, so sah Friedrich Wilhelm I. die klevischen Städte“, sagt Professor Dr. Margret Wensky. Gemeinsam mit Stadtarchivar Dr. Martin Roelen hat die Historikerin ein Buch über Büderich im 18. Jahrhundert veröffentlicht, „...des vorigen florisanten Status beraubt“.

Policey-Protokolle und Feuersozietätskataster

Roelen und Wensky haben sich tief in neu zugängliche Quellen vergraben,Wensky nahm sich die „Policey-Protokolle“ von 1722 bis 1768 vor, Roelen unter anderem den ältesten Feuersozietätskataster Büderichs von 1706, der bis 2013 im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf lagerte, zurückkam und nun für Forscher leichter zugänglich ist. Die Quellen zu sichten und zu bewerten ist eine Fleißarbeit, die die beiden Historiker auf sich genommen haben. Nur auf diese Weise konnten sie Neues aus der Geschichte Büderichs herausarbeiten.

Misswirtschaft und Korruption der Oberschicht

Friedrich Wilhelm I. kam 1713 an die Macht und trat an, den preußischen Staat zu modernisieren. Ganz unrecht hatte er mit seiner Einschätzung der klevischen Städte nicht, die ruinösen Finanz- und Verwaltungsverhältnisse hatten „ihre Ursache in der Misswirtschaft und Korruption der städtischen Oberschicht-Familien“, so Wensky. „Durch häufige Wiederwahl und ständige Besetzung der Ratsstellen durch Vertreter einiger weniger Familien waren Oligarchien entstanden.“

Berichte nach Berlin über jede Kleinigkeit

Damit war jetzt Schluss. „Der Staatskommissar saß permanent den Städten im Nacken. Sie wurden von Berlin aus regiert, die klevische Kammer war nur eine Durchlaufstelle.“ Ein überbordendes Berichtswesen in Richtung Berlin nahm seinen Lauf, jede Kleinigkeit galt es festzuhalten und zu rechtfertigen – für Historiker eine reiche Quellenlage. Wensky gibt einige davon im Original wieder, sie erlauben Einblicke in Büdericher Verhältnisse, die seinerzeit eher ärmlich waren. Für die Lektüre ist ein wenig Geduld notwendig: Die alten Formulierungen und zum Teil die Bezeichnungen sind etwas mühsam zu verstehen.

Niedergang einer ehemals florierenden Stadt

Grund für Büderichs traurige Verhältnisse war der Verlust der Zollstelle, „...des vorigen florisanten Status beraubt“, in der Folge haben sich reiche Kaufleute aus der Stadt zurückgezogen. Sie hatte nur noch 800 bis 900 Bewohner, die mehrheitlich davon lebten, ihre Produkte auf dem Weseler Markt anzubieten. Eine Ausnahme machte der Kappes, er wurde mit den Kohlenschiffen ins Ruhrgebiet geliefert. „Die Schiffe kamen mit Kohle und fuhren mit Kappes beladen zurück“, so Roelen. Den eigenen, einst über die Region hinaus berühmten Markt, gab es schon lange nicht mehr. Büderich war im Niedergang.

Martin Roelen hat sich mit der Topografie des alten Büderichs befasst, welches Gebäude stand wo und wurde von welchen Menschen und ihrer Profession bewohnt? Die Feuersozietätskataster, obschon trockene Materie, lassen, von Roelen interpretiert, ein lebendiges Bild des alten Büderich entstehen. Dabei erstaunt es schon, dass Roelen die handschriftlichen Blätter mit Streichungen und Korrekturen überhaupt entziffern konnte.

Eine Zeichnung aus Paris

Besonders stolz sind Roelen und Wensky auf eine erstmals veröffentliche Ansicht Alt-Büderichs: Adam Frans van der Meulen, Maler am französischen Hof, hat an zahlreichen Feldzügen Ludwigs XIV. teilgenommen und die Kriegsschauplätze detailliert gezeichnet. So auch 1672 Büderich, als es von den Franzosen eingenommen wurde.

Das Original gehört zum Museum königliches Mobiliar in Paris. Die Zeichnung ist deshalb so wertvoll, weil es in Farbe ist und Details erkennen lässt, die auf anderen Darstellungen unklar geblieben sind. „Sie ist von bemerkenswertem Detailreichtum und lässt erahnen, welch blühende Stadt Büderich angesichts der vielen Reichtum vermittelnden Bürgerhäuser und einiger besonders hervorstechender Gebäude einst gewesen ist.“

Stillstand über viele Jahre

Alt-Büderich wohlbemerkt, dessen Glanz im 18. Jahrhundert bereits verblasst war. Viele Höfe waren verlassen, viele unbebaute Grundstücke geblieben. Die von van der Meulen gezeichnete Ansicht hat sich nach Einschätzung Roelens wohl lange nicht verändert, in Büderich herrschte Stillstand. Um das Bild drucken zu dürfen, musste Roelen es beim Pariser Museum beantragen und bezahlen. Unterstützung bekam er dabei von Hannes Remy, der seit 1970 in Büderich ansässig ist und sich für die Ortsgeschichte interessiert. So bietet das jetzt erschienene Buch eine detailreiche Ansicht der Stadt, die Napoleon Ende 1813 zerstören ließ. Und deren Reste noch immer unter den Weiden am Rhein schlummern – ein Fest für Bodenarchäologen, nie überbaut und, so vermutet es Margret Wensky, mit gut erhaltenen Spuren, die ins Mittelalter zurückreichen dürften.