Wesel. . Es handelt sich um die Papierrestaurierungswerkstatt. Von der Akte über historische Bücher bis zum Poesiealbum ist hier schon alles gelandet.

Die NRZ haben die Mitarbeiter im Stadtarchiv fast jeden Tag in der Hand. Schließlich ist sie ein Dokument, das archiviert und monatsweise gebunden wird. Seit 1950 gibt es die Weseler Ausgabe hier lückenlos, sagt Stadtarchivar Dr. Martin Wilhelm Roelen. Seit zehn Jahren allerdings nur noch das Lokale, den Lokalsport, die Familienanzeigen und die Seite „Wir am Niederrhein“. Der Rest der Zeitung wird aussortiert, würde er doch viel zu viel von dem ohnehin immer knapper werdenden Platz hinter den dicken Zitadellenmauern einnehmen.

Doch es ist natürlich nicht nur die NRZ, die in dem historischen Gebäude, der ehemaligen Kaserne VIII, gebunden wird, hier dreht es sich vor allem um die Restaurierung. Alte Akten zum Beispiel, historische Bücher oder auch mal ein Poesiealbum beziehungsweise das immer wieder gern gelesene Lieblingsbuch werden so bearbeitet, dass man sie wieder anfassen kann oder auch mit einem schönen Einband versehen.

Familienbibel oder Kochbuch

„In erster Linie sind es Privatleute, die die Papierrestaurierungswerkstatt nutzen“, sagt Roelen. Allerdings handelt es sich oft um kleinere Sachen, die Werkstattleiterin Gisela Wächter und ihre Kollegin Andrea Büsselberg erledigen müssen. Auch Martin Wilhelm Roelen selbst hat ihre Dienste schon in Anspruch genommen, um seiner Mutter eine Freude zu bereiten. Ein nicht mehr ganz taufrisches Davidis-Kochbuch ließ er hier neu einbinden. Andere bringen die Familienbibel vorbei, einen alten Stich oder ein Plakat.

Zwar wäre es in der Regel günstiger, ein neues Kinderbuch zu kaufen statt es hier wieder auf Vordermann bringen zu lassen, doch in der Regel hängen oft viele Erinnerungen an dem Stück, das man deshalb nicht einfach wegwerfen, sondern erhalten möchte.

Ein Buch aus dem Jahr 1473

Auf ein ganz besonderes Werk im Stadtarchiv weist der Archivar hin. Es stammt aus dem Jahr 1473 und gehört zur Heresbach-Bibliothek. Der Humanist und Diplomat Konrad von Heresbach hatte Teile seiner Büchersammlung 1568 der Stadt vermacht. Bei diesem Werk handelt es sich um einen Kommentar des römischen Rechts, für Juristen Standardliteratur. Es stammt aus der Feder von Bartolus de Saxoferrato, einem der bedeutendsten Rechtslehrer des Mittelalters.

Bald wird man sich in der Werkstatt auch einer Akte aus dem Jahr 1894 widmen. Sie stammt aus Rees und hat die Aufschrift „Acta specialis betreffend den Bürgermeister“. Die Fachfrau sieht sich zunächst blattweise das Werk an, zerlegt es, radiert, wo es nötig ist, und badet das Ganze schließlich. Anschließend wird nachgeleimt und es muss möglicherweise mit Japanpapier nachgebessert werden. Etwa 500 Euro werden die Arbeiten kosten und geschätzt bis zu zwölf Stunden dauern.

Ferndiagnosen unmöglich

Die Fachfrauen müssen die zu restaurierenden Stücke immer erst in Augenschein nehmen, bevor sie einen Kostenvoranschlag machen. Telefonische Anfragen, wie sie immer wieder mal vorkommen, sind deshalb sinnlos. Denn Ferndiagnosen können auch die beiden Buchbinderinnen nicht stellen.

Es sind vor allem die Archive am Niederrhein, die die Dienste in dem alten Gebäude unmittelbar an der Bundesstraße 8 in Anspruch nehmen. Denn die nächste Werkstatt ist in Brauweiler.

18 Grad im Archiv

Doch auch die Stadt Wesel selbst hat noch reichlich Arbeit. Das zeigt ein Blick ins 18 Grad kühle Archiv mit den abgedunkelten Fenstern. Hier sind die Bauakten der Kreisstadt bis 1945 zu finden. Dazu Werke aus der Gymnasial- und der Heresbachbibliothek – alles in allem aus dem 15. bis 20. Jahrhundert.

Besonders stolz ist Roelen hier auf ein in den Niederlanden gedrucktes Buch, das wohl um 1480/ 1490 entstand. Es handelt sich um einen Ausschnitt aus dem römischen Recht, von dem es nur zwei Exemplare auf der ganzen Welt gibt.

>>>KONTAKT UND ANGEBOTE

An der Zitadelle 1 befindet sich die Restaurierungswerkstatt des Stadtarchivs. Sie ist montags bis donnerstags von 8 bis 16 Uhr sowie freitags von 8 bis 12 Uhr zu erreichen. Wer vorab Fragen hat: 0281/31806.

Neben dem Restaurieren von Büchern und anderen Schriften beziehungsweise Plänen, Plakaten, Grafiken und Siegeln werden auch Schuber, Kassetten, Umschläge, Mappen und Konservierungseinbände erstellt.