Wesel. . Fahrgastverband geißelt das neue Konzept mit Anrufsammeltaxis. Vor allem an den Wochenenden und nach Feierabend laufe in Wesel nicht viel.

Der Fahrplanwechsel in Wesel am Mittwoch bringt den Fahrgastverband Pro Bahn gehörig auf die Palme. Für die Fahrgastlobbyisten steht fest, dass die Weseler Stadtlinien die „krasse Folge der untauglichen ÖPNV-Politik des Kreises und der Untätigkeit der Stadt“ sind. „Wenn das einzige Ergebnis eines interfraktionellen Arbeitskreises zusammen mit der Verwaltung die Einrichtung eines Anruf-Sammel-Taxis (AST) für drei Ortsteile an drei Tagen in der Woche ist, dann ist für die weitere Zukunft noch einiges zu befürchten“, so Pro Bahn-Pressesprecher Lothar Ebbers in einer ersten Einschätzung. Offenbar habe nur ein Kriterium bei der Entscheidung für Anrufsammeltaxis und gegen Stadtbus und Taxibus eine Rolle gespielt: „Es darf Stadt und Kreis nichts kosten!“

Mit dem neuen Fahrplan werde das Abendangebot werktags um rund 80 Prozent reduziert, es pendelten nur noch die Linie 85 von Wittenberg nach Flüren im Zweistundentakt. Nur an Freitagen verkehre ein Anrufsammeltaxi als Ersatzangebot für Bislich, Lackhausen und Blumenkamp mit zwei Fahrtenpaaren, Schepersfeld und Fusternberg blieben außen vor. Wer ab 19 Uhr aus den Großstädten an Rhein und Ruhr nach Wesel zurückfährt, werde ab dem Bahnhof zumeist kein Angebot mehr für die letzten Kilometer vorfinden, das treffe dann auch zahlreiche Berufspendler, kritisiert der Fahrgastverband.

Lackhausen ist samstags beinahe unerreichbar

Samstags tagsüber würden fast alle Linien auf Zweistundentakt reduziert. Selbst der Hinweis der NIAG auf Verdichtung auf Stundentakt durch Linienüberlagerung zum Beispiel für Flüren sei falsch: Die Linien 85 und 86 verkehrten im Abstand von 30 und 90 Minuten, dasselbe gelte für die Grünstraße mit den Linien 85 und 96. Eine Nutzung des Busses für Einkaufsfahrten sei so kaum mehr möglich: „Wer möchte schon ein bis zwei Stunden auf die Rückfahrt warten.“ Lackhausen werde samstags gar nicht mehr vom Bus angefahren, das Ersatzangebot mit den Anrufsammeltaxis für die drei Stadtteile starte aber erst am Spätnachmittag: Statt bislang 14 Fahrmöglichkeiten existierten jetzt nur noch drei beziehungsweise vier, um die sich der Fahrgast dann per Anruf lange vor Abfahrt selbst kümmern müsse.

Am Sonntag sei nur noch die Linie 85 unterwegs, teils stündlich, teils zweistündlich. Das Anrufsammeltaxi bediene nur zwei der drei Stadtteile zweistündlich mit sechs Fahrtenpaaren, nach Blumenkamp verkehrten nur noch die drei Fahrtenpaare der Linie 64, bisher waren es insgesamt 17 beziehungsweise 18. Ab 20 Uhr verkehre an Sonn- und Feiertagen überhaupt kein Bus mehr im Weseler Stadtgebiet.

Vorhandene VRR-Tickets reichen nicht aus

Wurden bisher gestrichene Fahrten auf Hauptlinien durch Taxibusse ersetzt, zum Beispiel auf der Linie 81, sei das Anrufsammeltaxi als Ersatz eine weitere Zumutung für die Fahrgäste. Es entstünden zusätzliche Kosten, da vorhandene VRR-Tickets hierfür nicht ausreichten. Eine Anrufsammeltaxi-Fahrt sei auch nur von und zur Innenstadt möglich, Feldmark–Bislich gehe beispielsweise nicht, kritisiert Pro Bahn.

Überhaupt seien die Bedingungen beim Anrufsammeltaxi in Wesel schlechter als bei allen anderen in den Kreisen Wesel und Kleve: Zweistundentakt statt sonst Stundentakt, Anmeldung 60 Minuten vorher statt sonst 30 Minuten. Dadurch sei mit einer nur minimalen Nutzung zu rechnen, so dass die Verantwortlichen nachher schnell von einem „fehlenden Verkehrsbedarf“ sprechen und das AST streichen können, befürchtet der Fahrgastverband.

Die nächste Sparrunde ist vorhersehbar

Während in anderen Städten der Öffentliche Personennahverkehr im Freizeitverkehr immer mehr an Bedeutung gewinne und das Bahnangebot auch für Wesel immer mehr ausgebaut wurde, werde in der Stadt Wesel das Angebot in diesen Zeiten weitgehend gestrichen. Alle Erfahrung zeige, dass dies auch Auswirkungen auf die Nutzung der Linien tagsüber haben werde, die nächste Sparrunde im Tagesverkehr sei so schon vorhersehbar.

Pro Bahn fordert statt weiterer Kürzungsrunden eine offensive ÖPNV-Politik in der Stadt, wobei aufgrund der Untätigkeit des Kreises die Stadt eine aktive Rolle einnehmen muss und auch kann.

Pro Bahn will eigenes Stadtbuskonzept präsentieren

Der Fahrgastverband wird in Kürze ein zusammen mit in Wesel wohnhaften ÖPNV-Planern erstelltes Stadtbuskonzept präsentieren, das eine verlässliche und attraktive Anbindung aller Stadtteile in allen Verkehrszeiten vorsieht und Wesel als Wohn-, Arbeitsplatz- und Geschäftsstandort stärkt. Hierzu sei eine überschaubare kommunale Finanzierung des Verkehrs sowie ein Wettbewerb bei der Vergabe der Verkehrsleistungen erforderlich. Pro Bahn bietet der Stadt Unterstützung in organisatorischen und konzeptionellen Belangen an, um einen verbesserten ÖPNV gegebenenfalls auch mit eigenen Mitteln im Stadtgebiet umzusetzen.