Wesel. . Nach dem „Fußball-Gottesdienst“ in der Kirche am Lauerhaas waren 50 Besucher vor dem Public Viewing noch optimistisch, danach völlig enttäuscht

Wenn es nach Werner Schulte geht, ist die Weltmeisterschaft für die deutschen National-Kicker schon jetzt gelaufen. „Wenn sie gegen Mexiko verlieren, können sie direkt nach Hause fahren“, sagte der 81-jährige Senior wenige Minuten vor Beginn des ersten WM-Spiels der DFB-Elf.

Zusammen mit rund 50 anderen Fußball-Interessierten verfolgte er beim Public Viewing im Gemeindezentrum der evangelischen Kirche am Lauerhaas gebannt die Übertragung.

Die siebenjährige Thea hätte so gerne gejubelt -  doch sie erlebte die überhaupt erste WM-Niederlage ihres Lebens.
Die siebenjährige Thea hätte so gerne gejubelt - doch sie erlebte die überhaupt erste WM-Niederlage ihres Lebens. © Gerd Hermann

Genau eine Stunde vor dem Anpfiff dribbelte Pfarrer Albrecht Holthuis gemeinsam mit Kirchenhelfer Klaus Bauer mit einem bunten Ball durch den Mittelgang der Kirche Richtung Altar.

Wie ein roter Faden zog sich das Thema Fußball durch diesen Spätschicht-Gottesdienst – moderne Kirche der völlig anderen Art. Einige Fans saßen bereits geschminkt, mit Deutschland-Trikots sowie mit schwarz-rot-goldenen Fahnen im Haar in den Kirchenbänken.

„Jesus war auch eine Art Trainer, der seine Jünger mit Teamgeist zusammengeführt hat“, verkündete der „fußball-verrückte“ Pastor.

Er hatte Bibel-Texte aus dem Jesaja-Buch heraussgesucht, die auffällige Parallelen zur Hymne des FC Liverpool „You’ll never walk alone“ zeigten.

Sportsprache bei der Formulierung seiner Fürbitten

Holthuis nutzte die Sportsprache auch bei der Formulierung seiner Fürbitten: „Herr, wir bitten dich, dass alle, die ins Abseits gedrängt sind, wieder ins Spiel des Lebens zurückfinden.

Gib denen, die nur auf der Reservebank sitzen, eine Chance.“ Als Holthuis dann in der Kirche von den rund 20 Konfirmanden wissen wollte, wie denn die Tipps für den WM-Auftakt der Deutschen stehen, war die Tendenz eindeutig – nur ein einziger Jugendlicher setzte auf Mexiko.

Im Gemeindehaus mischte sich der Geistliche dann unter die Fußball-Fans. Nach knapp einer halben Stunde und den ersten vergebenen Möglichkeiten der DFB-Elf befand der Pastor: „Wird jetzt langsein Zeit für ein Tor.“ Und siehe da: Nur Minuten später fiel tatsächlich eins. Nur auf der falschen Seite...

Vor dem Spiel hatte  Helga Benninghoff noch richtig gute Laune.
Vor dem Spiel hatte Helga Benninghoff noch richtig gute Laune. © Gerd Hermann

In der Halbzeitpause sahen sich die Besucher verwundert an. Manche dachten wohl, sie wären im falschen Film.

Eine davon war Helga Benninghoff: Die 61-jährige Gemeindehelferin hatte sich extra schwarz-rot-gold dekortiert – sogar Ohrstecker in den Nationalfarben ausgewählt. „Das hätte ich nie gedacht. Im Moment habe ich richtig Herzrasen“, gestand sie. Benninghoff hatte 3:0 für Jogis Jungs getippt – und dann das.

Doch die 61-Jährige hatte noch Hoffnung: „Ich denke, die Spieler bekommen in der Pause jetzt einen Einlauf und drehen das Spiel noch auf 3:1.“

Helga Benninghoff war am Ende fix und fertig

Doch nichts wurde es mit drei Toren für Deutschland nach dem Seitenwechsel.

Im Minutentakt rauften sich die Besucher im Gemeindezentrum die Haare, fieberten mit und schrien ihre Verzweiflung heraus. Sie litten mit, sie hofften noch auf den Ausgleich – doch es half alles nichts.

„Der Tag ist gelaufen“, schimpfte Helga Benninghoff unmittelbar nach dem Schlusspfiff.

Und auch Werner Schulte hatte keine Erklärung für den Fehlstart: „Ich bin platt – mir fehlen die Worte!“

Aber wie hatte Pfarrer Albrecht Holthuis kurz zuvor im Gottesdienst noch verkündet: „Der Fußball lernt uns, dass es immer weitergeht – auch bei Niederlagen.“