Wesel. . Die Ordensbrüder wollten kein Gelübde ablegen. Meistens waren sie in der Schreibstube beschäftigt. In Fusternberg hingegen gab es schöne Gärten.
Wer sich schon einmal gefragt hat, welche Menschen einst über die Fraterherrenstiege gelaufen sein mögen oder ob die Reicher-Leute-Stege wirklich nur für die gut Betuchten reserviert war, der ist bei Ludwig Maritzen an der richtigen Adresse. Der Mann ist ein laufendes Geschichtsbuch, als Stadtführer und Sekretär der Hanse Gilde ist er in den vielen Jahren seiner Aktivität tief in die Geschichte der Stadt eingetaucht.
Und so weiß Ludwig Maritzen, dass die Fraterherrenstiege nach einem Konvent benannt ist, der 1436 auf dem Areal des heutigen Andreas-Vesalius-Gymnasium gegründet wurde und bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts in Wesel bestand. Den kleinen Verbindungsweg zwischen Herzogenring und Martinistraße hat jedoch nie ein Fraterherr beschritten, denn er wurde erst nach dem Krieg in Erinnerung an den Orden so benannt.
Eine Ordensgemeinschaft ohne Gelübde
„Die neue Bewegung kam von Deventer aus nach Wesel“, weiß Ludwig Maritzen zu berichten. Anfangs waren es vier junge Männer, die zwar klösterlich leben, aber kein Gelübde wie andere Ordensgemeinschaften ablegen wollten. Und sie wollten kein Bettelorden sein, sondern sich selbst durch eigene Arbeit ernähren – und das taten sie, indem sie in ihrer Schreibstube Bücher kopierten oder interpretierten.
Zum Konvent am Hofmeisterweg gehörte später auch die alte Martinikirche, die bis zum Krieg dort stand. Bis zu acht Brüder – auch Devoten genannt – lebten in dem Konvent.
Die Fraterherrenbibliothek gibt es bis heute in St. Martini mit rund 800 Büchern, von denen etwa 200 die Brüder selbst geschrieben haben. Die nachgebildete Schreibstube der Fraterherren ist übrigens Teil der Ausstellung im neuen LVR-Niederrheinmuseum, die morgen eröffnet wird, ebenso wie das von den Brüdern geschriebene Statutenbuch.
Fusternberg war ein fruchtbares Gebiet
An der Reicher-Leute-Stege in Fusternberg gab es im 19. Jahrhundert ebenfalls etwas Besonderes zu sehen: Schöne Gärten haben dort die Zeitgenossen beeindruckt. Die Gärten wurden zu früheren Zeiten rund um Wesel angelegt, weiß Ludwig Maritzen zu berichten, und diese müssen besonders prächtig gewesen sein.
Wer solche Gärten hat, dachten sich die Leute damals, der muss wohl auch sehr reich sein. Vielleicht war es aber nicht nur das: Fusternberg war einst ein fruchtbares Gebiet und wurde daher auch „Oppen Schlat“, also „Auf dem Salat“ genannt.
Namen belegen historische Schießplätze
Auf eine eher kriegerische Vergangenheit lassen dagegen Straßennamen wie Doelenstraße, Auf dem Dudel und Esplanade schließen. Der Begriff Doelen, so weiß Maritzen zu berichten, geht auf ein altes Wort für einen Schießplatz für Bogenschützen zurück. Den muss es im Mittelalter an dieser Stelle, die heute mitten in den Stadt liegt, gegeben haben.
Auf Niederländisch bedeutet das Wort übrigens heute noch „zielen“. Auch der Name „Auf dem Dudel“ weist auf eine militärische Schießanlage hin – ebenso wie die Esplanade. Der Name kommt aus dem Französischen geht auf eine als Schießfeld dienende Freifläche zurück, die einst zur preußischen Zitadelle gehörte.