Wesel. Als die Moderatorrin vom Ende ihrer Sendung „Zimmer frei!“ erfährt, glaubt sie erst einmal nicht, dass sie diese Trennung leicht nehmen wird.

„Böttinger und ich werden wohl keine dicken Freunde mehr“, mit diesem Geständnis überraschte Christine Westermann in ihrer Lesung im Lutherhaus am Montagabend rund 450 Gäste. Bei Moderatorin Bettina Böttinger stellte Westermann ihr neues Buch „Manchmal ist es federleicht. Von kleinen und großen Abschieden“ eine Woche vorher vor.

Christine Westermann steigt mit Bastian Schweinsteigers Abschied von der Deutschen Nationalmannschaft ein. Es war im August 2016, Westermann beschreibt, wie der Fußballweltmeister mit den Tränen kämpft – und verliert. Es ist einer dieser emotionalen Abschiede, die nicht traurig sein müssen, sondern einfach nur berühren.

Einen traurigen Abschied feierte Westermann vergangene Weihnachten. Vorher war eine Freundin aus Amsterdam gestorben, mit der Westermann jedes Jahr die Feiertage verbrachte. Die Zuschauer sind still, keiner regt sich.

Die Stimme von Westermann ist brüchig, wegen einer zurückliegenden Kehlkopfentzündung, wie sie zu Anfang erzählt. Die Autorin hat das Publikum vorher darauf eingestimmt: „Ach, wissen Sie was, machen Sie doch, was Sie wollen!“ Sie meinte den Applaus, die Zuhörer sollten sich nicht gezwungen fühlen, zu applaudieren oder still zu sein, sondern ihren Gefühlen folgen.

Auch „Zimmer frei!“ war Thema

In neun Kapiteln erzählt die Moderatorin von vielen unterschiedlichen, privaten und leichten Abschieden. Auch der Abschied von „Zimmer frei!“ war, in der Rückschau, eher eine leichte Trennung, erklärt Westermann.

Ohnehin sei die Sendung immer nur ein kleiner Teil des Lebens gewesen. Dass Westermanns Alter beim Ende der Talkshow eine Rolle spielte, nimmt sie gelassen auf: „Ich kann heute ja auch nicht mehr wie damals auf dem Boden rumkriechen“.

Einen erheblichen Teil der Sendung nahmen ungewöhnliche Spiele ein. Die Moderatorin sei danach immer wieder auf das angebliche Ende ihrer Karriere angesprochen worden.

Einmal, so erzählt Westermann, habe sie daraufhin einer Dame im Supermarkt ihren vollen Terminkalender runtergerattert, bevor sie überhaupt merkte, wie unsinnig dieses Vorhaben sei.

Das Publikum lacht laut. Es fühlt mit der Autorin mit, die meisten Zuschauer sind im Seniorenalter. Eine Wahrheit ist aber auch, Christine Westermann hat längst eine zweite Karriere – als Literaturkritikerin und Buchautorin.

Die Flucht des Vaters

Die längste Geschichte der Lesung ist die Fluchtgeschichte des Vaters. Als er, der Verwaltungsdirektor des Erfurter Theaters, Anfang der 50er Jahre aus der DDR in den Westen fliehen musste. Westermann erzählt die Geschichte mit Distanz, es ist eine historische Bestandsaufnahme.

Die Autorin war damals noch zu klein, um die Situation einzuordnen. Der Vater, bei der Flucht schon 64 Jahre alt, starb „nicht einmal zehn Jahre später“, erzählt die Tochter.

Westermann hatte auch einen älteren Bruder, den sie nie kennenlernen konnte; dieser starb 1941 in Smolensk an einer Schusswunde. Einige wenige Gegenstände der Familie wurden von Freunden in den Westen geschmuggelt, darunter Berta von Suttners „Die Waffen nieder“.

Nur dieses Buch nahm Westermann dann auch später mit in die USA, zusammen mit zwei Kaffeetassen. Ihre persönlichen Abschiede sollten nicht als Ratgeber gelesen werden, sagt sie. Die Leichtigkeit ihrer Erzählungen sind aber ganz sicher Mutmacher.