Wesel. . Viele Bislicher trifft es sehr, dass der Raiffeisenmarkt schließt. Vor allem Senioren haben die Einkaufsmöglichkeit genutzt.

Niemand kann genau sagen, seit wann es den genossenschaftlichen Landhandel in Bislich gibt. Irgendwie immer schon. Klar ist: Am 28. Februar ist Schluss. Seit zwei Jahren schreibt das Geschäft tiefrote Zahlen, die Kundschaft wurde spürbar weniger. „Schlechte Jahre gab es immer mal wieder“, sagt Johannes Erkens, Geschäftsführer der Raiffeisen-Niederrhein GmbH. Ihre Vorgängerin hat das Geschäft 1988 übernommen, „wir haben es 28 Jahre offen gehalten“.

Samstags war früher der Laden voll

Dieter Neumann, der den Bislicher Raiffeisenmarkt mehr als 17 Jahre geleitet hat, weiß um die Probleme. „Uns fehlt die Laufkundschaft“, sagt er. Als Rewe schloss, hat er ein kleines Lebensmittelsortiment geboten, mit frischem Fleisch, Obst und Gemüse. „Das lief anfangs gut, dann nicht mehr.“ Viele Kunden kommen für Kleinigkeiten. „Die Älteren, die niemanden haben, kaufen hier alles.“ Getränke liefen gut, die Post auch. Das reicht nicht. „Früher war hier samstags Großkampftag“, erinnert sich Neumann, „da hast du vier Stunden bedient und an der Kasse gestanden“. Das ist vorbei. Mitarbeiterin Petra Krause geht nach Hamminkeln, Dieter Neumann und Alexander Metschinski gehen nach Rees.

Der Markt gehörte immer zum Dorf

Der Abverkauf der Waren hat begonnen, Gartenschuhe, Stiefel, Werkzeug, alles muss raus. Es gibt kaum etwas, das der Raiffeisenmarkt nicht bietet: Hühnerfutter, samstags gar lebendige Hühner, Gurkentöpfe, Wärmedecken, Pflanzkartoffeln. Roggen, Weizen, Dinkel und Kürbiskerne lose. Werner und Hiltrud Lantermann aus Flüren kommen deswegen. Sie backen ihr Brot selbst. „Demnächst müssen wir nach Hamminkeln oder Drevenack fahren. Rees ist zu weit“, sagen die Senioren. Kundin Cornelia Droste ist quasi mit dem Landhandel aufgewachsen. „Ich komme regelmäßig und kaufe, was man so braucht“, sagt sie. Die Bislicherin bedauert, dass das Geschäft schließt. „Das ist der Zahn der Zeit. Früher hatten wir in Bislich fast in jedem Haus ein Geschäft. Sie sind alle weg.“ Monika Lamers, im Dorf großgeworden, erinnert sich. „Das haben früher Waltraud und Winfried Otto geführt“, sagt sie. Immer mal wieder, auch als Kind, war man dort. Es gab ja alles. Ursula Bruns tut es vor allem um die Senioren leid. „Meine Mutter ist 89. Sie kam gern mit dem Fahrrad her“, sagt sie. Es sei schon etwas anderes, eine Liste zu schreiben, als selbst einzukaufen, Leute zu treffen. „Es ist ganz schlimm“, kommentiert sie das Aus.

Suche nach Lösungen für die Post

Schmerzlich vermisst wird wohl auch die Post. Obwohl man munkelt, dass – anders als offiziell mitgeteilt -- doch noch ein, zwei Möglichkeiten diskutiert werden. Privatleute könnten aktiv werden, man wird sehen. „Soviel Aufwand wäre das nicht“, meint Neumann. „Es würde ja reichen, vormittags und nachmittags je zwei Stunden zu öffnen.“

Wenn am 1. März der Hamminkelner Raiffeisenmarkt – um 300 Quadratmeter vergrößert – wiedereröffnet, ist der Bislicher zu pachten. „Wir wären auch offen für andere Lösungen in Eigeninitiative“, bietet Johannes Erkens an. Doch: Wer soll das leisten?

KOMMENTAR

Die Kunden haben es in der Hand

Es ist praktisch, mal eben auf dem Nachhauseweg beim Discounter vorbeizuschauen. Er liegt auf dem Weg, wie auch der Baumarkt. Und für vergessene Kleinigkeiten gibt es ja den Dorfladen, im Bislicher Fall den Raiffeisenmarkt. Mal ein paar Eier, ein Kilo Zucker oder Vogelfutter. Dieses Phänomen kennen alle kleinen Supermärkte in den Stadtteilen und etliche sind bereits daran zugrunde gegangen: Ein Laden kann voller Kunden sein. Wenn alle nur eine Kleinigkeit kaufen, kann das nicht gut gehen.

Viele, die jetzt das Aus des Raiffeisenmarkts beklagen, sind dort seit Jahren nicht gesehen worden, das war mit Rewe in Bislich genauso. Damit geht es dem Dorf nicht anders als anderen ländlichen Bereichen oder Stadtteilen: Wer kann, kauft beim Discounter. Wer selbst nicht mehr rauskommt, lässt sich etwas mitbringen, geht vielleicht noch für einen Tratsch ins heimische Lädchen.

Supermärkte, in denen die Kunden im Schnitt unter zehn Euro ausgeben, können nicht überleben. Nur dort, wo Leute ihre Wocheneinkäufe erledigen, werden Geschäfte gemacht, können Mitarbeiter entlohnt werden, gedeiht der Laden. Wer also möchte, dass sein Viertel lebendig bleibt und nicht zum reinen Wohngebiet wird, sollte das örtliche Angebot gezielt nutzen. Ein Preisvergleich zeigt, dass der Unterschied oft bloß wenige Cent ausmacht.

Wir sollten die wenigen Lebensmittelmärkte „um die Ecke“ hegen und pflegen: Sie kommen nicht zurück, nur weil man selbst plötzlich alt geworden ist und darauf angewiesen wäre. Für Bislich sind kreative Lösungen gefragt, um die Senioren nicht im Stich zu lassen.
Susanne Zimmermann