Wesel. . Johanna van Gelder, seit rund 60 Jahren Wirtin der Büdericher Gaststätte, geht mit 85 Jahren in den Ruhestand. Einen Nachfolger gibt es nicht.

Dass der Tag kommen wird, an dem Johanna van Gelder den Zapfhahn endgültig nach oben dreht, hatte sich in Büderich längst herumgesprochen. Vor den Weihnachtsfeiertagen öffnete die Traditionsgaststätte dann tatsächlich letztmalig die Türen – und nach dem Abschiedsabend, der für den 27. Januar geplant ist, ist der alteingesessene Betrieb Geschichte. Zum Bedauern nicht nur der Büdericher, sondern vieler Vereine, Familien, Parteien und Gruppen, die bei „Hanna“ immer einen guten Platz für Feiern und Versammlungen gefunden haben. Auch wenn’s schwer fällt: Die Wirtin ist mit 85 Jahren zwar enorm rüstig, doch irgendwann muss Schluss sein, sagt sie.

Ein Leben mit viel Arbeit – oft bis in die Morgenstunden – liegt hinter der Wirtin, die 1959 Heinz van Gelder heiratete, aber bereits seit 1956 im Betrieb tätig war. Gut 60 Jahre stand sie hinter dem Tresen, kennt jeden im Dorf und darüber hinaus. Sie war, wie Sohn Theo betont, „die gute Seele“ des familiär geführten Betriebes. Gäste aus sechs Generationen tranken bei ihr in all den Jahren das Feierabendbier oder richteten ihre Feste aus. „Sie hat alles getan, damit sich die Gäste wohl fühlen,“ resümiert Theo.

Gottesdienste im großen Saal

Das Haus gehört zu den ältesten Gebäuden Büderichs, es stammt aus der Zeit des Wiederaufbau des Dorfes in den 1820er Jahren. Dieser war notwendig, nachdem das ein Stück entfernt gelegene Alt-Büderich auf Napoleons Befehl 1813 völlig zerstört worden war.

Seit sechs Generationen ist das Haus in Familieneigentum, diese hießen jedoch nicht immer van Gelder, sondern Effing, Tepaß und Heicks. Seitdem Theodor van Gelder, der Vater von Heinz van Gelder, einheiratete, trägt der Betrieb den heutigen Namen.

Eine Gaststätte hat es in dem Haus wahrscheinlich immer schon gegeben, wie Theo van Gelder zu berichten weiß, dazu eine Landwirtschaft und eine Poststelle. Immer wieder haben die Eigentümer modernisiert: Der große Festsaal, in dem mehrere hundert Menschen feiern können, wurde 1906 von Hermann Heicks im damaligen Garten gebaut und nicht nur für Feierlichkeiten genutzt: Er diente nach dem Krieg 1945 beispielsweise als Raum für Gottesdienste, ebenso 1975, als das Kirchendach renoviert wurde. Besonders Heinz und Johanna van Gelder haben den Traditionsgasthof immer wieder renoviert und erweitert, die Kegelbahnen zum Beispiel. Zuletzt kamen 1990 die Räume der ehemaligen Druckerei hinzu.

Viele Vereine kamen regelmäßig

Viele Gruppen und Vereine haben in der Gaststätte im Polderdorf ihre Heimat gefunden. Schützen- und Karnevalsvereine waren darunter sowie etliche Kegelclubs. Zu Spitzenzeiten in den 80er Jahren gingen 84 Clubs in die Vollen, die Bahnen waren teilweise mittags und abends belegt, „und manchmal auch dazwischen“, erinnert sich Johanna van Gelder. Zuletzt waren es noch etwa 20 Kegelclubs.

Ein Schicksalsschlag war der frühe Tod von Ehemann Heinz 1993 im Alter von 65 Jahren, da war Johanna van Gelder 60. Aufhören war für sie dennoch kein Thema: „Da war kein Denken dran“. Schließlich gab es genug zu tun. Ihr Sohn Theo, der damals in Regensburg Theologie studierte, übernahm kurzerhand mit der Mutter die Führung des Betriebs und die Buchführung, dabei kam ihm seine Ausbildung als Industriekaufmann zugute. Er unterstützte seine Mutter auch in den Folgejahren – trotz seiner Promotion in Münster und der heutigen Tätigkeit als Krankenhausseelsorger.

Abschiedsabend am 27. Januar

Intensiv hat sich die Familie bemüht, einen Nachfolger zu finden, versichert Theo van Gelder – leider vergeblich. Für ihn und seine Schwester Maria kam eine Übernahme nicht in Frage, sie haben sich beruflich längst anders orientiert. Für die langjährige Wirtin wird der Abschied gewiss nicht leicht, aber: „Ich freue mich, dass ich Zeit für andere Sachen habe“. Was aus dem Gebäude wird, ist nicht entschieden – klar ist: Eine Gaststätte wird es darin nicht mehr geben, versichert Theo van Gelder.

Für alle, die sich mit dem Haus verbunden fühlen, findet am 27. Januar ab 18 Uhr ein Abschiedsabend an der Pastor-Bergmann-Straße 29 statt. Die Familie wird ein kleines musikalisches Programm vorbereiten.