Wesel. . Viele der Kleider kommen beim Hansefest vom 27. bis 29. Oktober zum Einsatz. Manche Frauen trugen früher ein „Höllenfenstergewand“.
- In den vergangenen 20 Jahren hat die Hanse-Gilde viele Kleider und Requisiten angeschafft
- Einige sind selbst genäht, andere stammen aus dem Spezialversand
- Beim Hansefest sind über 300 Personen in historischen Kostümen im Einsatz
Wer die Räume der Hanse-Gilde in der Zitadelle betritt, fühlt sich direkt um einige Jahrhunderte zurückversetzt. Mit viel Liebe zum Detail haben sich die Mitglieder in den alten Räumen eingerichtet. Richtig interessant wird’s aber, wenn Ludwig Maritzen die Tür zur Kostümkammer öffnet: Rund 220 Gewänder, hauptsächlich der Zeit vom Anfang des 13. bis zum 19. Jahrhundert nachempfunden, machen den Raum zu einer kleinen Schatzkammer – zumindest für Geschichtsinteressierte. Noch ist das Lager voll, doch das wird sich bald ändern: Beim Hansefest vom 27. bis 29. Oktober haben die historischen Kleider Hochsaison.
Ludwig Maritzen, Sekretär der Hanse-Gilde, holt einen schwarzen Rock von der Stange – sein Lieblingsstück, das er auch beim Hansfest tragen wird. Der Wappenrock, wie ihn die Ritter über dem Brustpanzer trugen, greift die Zeit um 1417 auf, als Graf Adolf zum Herzog von Kleve ernannt wurde. Das Wappen ist vorn auf dem Rock aufgestickt – eine sehr aufwändige Arbeit. „Das hat meine Schwiegermutter gemacht“, erklärt Maritzen.
Kaufmannsdamen und Ritter
Seit 20 Jahren gibt es die Hanse-Gilde und in dieser Zeit haben sich viele Requisiten in der Kammer angesammelt. Da sind Kleider für Ritter oder reiche Kaufmannsdamen, aber auch Gewänder aus der französischen oder spanischen Phase Wesels bis hin zur napoleonischen und preußischen Zeit.
Als Stadtführer zu diversen Schwerpunkten benötigen Ludwig Maritzen und seine Mitstreiter viele der Gewänder, ebenso für die Themenabende, bei denen es zum Beispiel auch schon um Hildegard von Bingen ging – stilecht mit zeitgenössischer Musik und Essen. Wenn historische Darsteller benötig werden, sind die Mitglieder der Hanse-Gilde mit ihren Gewändern inzwischen gefragte Modelle geworden – für Filmaufnahmen oder Fotos beispielsweise.
Kleider sind zum Teil selbst genäht
Einige der Kleider sind selbst hergestellt, wie das Lederwams für einen Falkner, für den Ludwig Maritzen den Bezug eines ausgedienten Sofas verwendete, andere stammen vom Spezialversand. „Alles soll so authentisch wie möglich sein“, erklärt er.
Mit einer Ausnahme: Unter den Kostümen darf es ruhig modern bleiben. „Da drücken wir ein Auge zu“. Maritzen zeigt auch, warum. Der Vorläufer der Unterwäsche war alles andere als komfortabel: Eine große Unterhose aus Leinen, an die Beinlinge aus echter Wolle geknotet wurden – das kratzt ordentlich.
An einem anderen Ständer zeigt Maritzen, was Frau in der Hansezeit drunter und drüber trug: Ein langarmiges Unterkleid war obligatorisch, darüber wurde daheim einfach eine Schürze getragen. Die edlere Variante für draußen nennt sich „Höllenfenstergewand“ – nach dem riesigen Armausschnitt, der die Zeitgenossen offenbar an die Unterwelt erinnerte.
Die passenden Accessoires gibt’s auch
Zu allen Kostümen haben die Mitglieder die passenden Accessoires zusammengetragen: Speziell angefertigte Schuhe, Hüte und Kopfbedeckungen wie die kapuzenartigen Gugeln, Waffen und sogar ein Futteral mit zeitgenössichem Besteck, das man damals zum Essen selbst mitbrachte.
Nicht nur die Mitglieder der Hanse-Gilde nutzen den reichhaltigen Fundus, die Gewänder werden auch zu verschiedenen Anlässen verliehen, „nicht jedoch an Privatpersonen“, wie Maritzen betont.
Viele der Kleidungsstücke werden beim Hansefest zu sehen sein, allein beim Umzug am Samstag beteiligen sich mehr als 300 Personen. Wer danach Geschmack an den historischen Outfits gefunden hat: Besucher können beim Fest an einigen Ständen Kleidung und Schmuck kaufen.