Hamminkeln. . Vier Generationen der Familie van Nahmen haben die Privatkelterei zu dem gemacht, was sie ist – erfolgreich und fest mit der Region verwoben.

  • Wilhelm van Nahmen gründete 1917 die rheinische Apfelkrautfabrik, mitten im Krieg. Die Menschen hungerten.
  • Alte, aromatische Sorten wachsen auf Streuobstwiesen. Das Unternehmen fördert diese Anbauform
  • Peter van Nahmen ist Pionier in der Erzeugung sortenreiner Apfelsäfte – das kommt an

Ferienzeit, das war für Peter van Nahmen die Zeit, faule oder unreife Äpfel auszusortieren, im elterlichen Betrieb anzupacken. „Wir haben immer unser Glas an die Presse gehalten und den frischen Saft getrunken“, erinnert sich der 48-Jährige. Opa Wilhelm van Nahmen, im Ort meist „der Chef“ genannt, ermahnte die Kinder dann, nicht zuviel zu trinken. Apfelsaft, der noch nicht erhitzt wurde, wirkt abführend. Den Kindern waren die Nebenwirkungen egal.

Für die Obstkelterei van Nahmen wird das 100. Jahr auch ein spannendes. Wird es nach den Spätfrösten im April überhaupt genug Obst zum Keltern geben? Zumindest Boskop haben van Nahmens noch genug nach der Spitzenernte 2016. Bei den anderen Sorten ist die Ernte ungewiss.

Apfelkraut gegen den Hunger

100 Jahre, das lädt ein zum Blick zurück. Die Wurzeln der Familie van Nahmen reichen tief in den Hamminkelner Boden hinein, Peter van Nahmen führt das Unternehmen bereits in der vierten Generation. Um Äpfel ging es von Anfang an – um Saft erst seit 1931. Wilhelm van Nahmen gründete 1917 die rheinische Apfelkrautfabrik, mitten im Krieg. Die Menschen hungerten, Apfelkraut ist nahrhaft. Erst als Wilhelm van Nahmen II. 1930 die Regie übernahm, ließ er sich zum Süßmoster ausbilden – das Apfelkraut erlebte dann im und nach dem Zweiten Weltkrieg eine Renaissance: Hungerjahre.

Heute produziert das Unternehmen Premiumsäfte und, in dem Bereich ist van Nahmen Pionier, sortenreine Apfelsäfte. Aber auch Quitten, Rhabarber, Birnen, Holunder, Johannes- und Stachel­beeren werden an der Diersfordter Straße 27 verarbeitet. Das Geheimnis des Erfolgs? „Wir verarbeiten ausschließlich voll ausgereifte Früchte nach alter Mostertradition“, sagt Peter van Nahmen. Ausgereift seien Äpfel, wenn sie vom Baum fallen, „dann haben sie am meisten Fruchtzucker, es ist der ideale Zeitpunkt“.

Alte Obstsorten sind ein Steckenpferd der van Nahmens. Und Streuobstwiesen: Viehweiden mit hochstämmigen Bäumen, die einer Vielzahl von Lebewesen ein Zuhause bieten. Und die, mit alten Sorten angebaut, unvergleichlich aromatische Früchte erbringen. In den 50er- und 60-er Jahren verschwanden sie fast komplett aus der Landschaft.

Rainer van Nahmen (78), Peters Vater, hat 1994 mit dem Nabu das Aufpreisprojekt Streuobstwiesen angestoßen: Das Unternehmen fördert die Anlage solcher Wiesen, indem es mehr für die Ernte bezahlt. Das Produkt „Apfelsaft von Streuobstwiesen“ ist etwas teurer als die anderen Säfte. Und es ist der stärkste Artikel: Kunden unterstützen das Engagement, vielleicht schmeckt ihnen aber auch einfach der leckere Saft.

Hochstämme und alte Obstbäume sind aufwendig. Peter van Nahmen erläutert: Während die jüngeren, niedrigen Sorten nach drei Jahren tragen, benötigen die alten acht Jahre. „Nach 25 Jahren haben sie ihren vollen Ertrag“, erläutert van Nahmen, „dafür stehen sie viel länger. Sie können 80 Jahre alt werden.“ Solche Apfelbäume pflanzt man nicht für sich, sie sind ein Geschenk an die nächste Generation.

Die Obstkelterei hilft beim Anlegen der Streuobstwiesen, besorgt gute Bäume und berät bei der Sortenauswahl. „Seit 1994 sind auf diese Weise 12 000 Bäume gepflanzt worden“, sagt van Nahmen nicht ohne Stolz.

Unter anderem wächst wieder die Rote Sternrenette, der Ur-Niederrheinapfel schlechthin, in der Region, der – blank poliert – Generationen als tiefrote Weihnachtdekoration diente. Lieblingsspeiseapfel des Fachmanns selbst ist „Kaiser Wilhelm“.

Die nächste Generation

Beim Blick in die Familiengeschichte erscheinen Peter van Nahmen die aktuellen Probleme mit der Ernte eher gering. „Zwei Weltkriege waren das, zwei Mal Inflation...“ Er will die Tradition der Familie weiterführen, den engen Kontakt zu den umliegenden Landwirten und Apfelwiesenbesitzern halten, der die Basis des Erfolgs ist.

Wie geht es nach 100 Jahren weiter? Peter van Nahmen hofft, dass seine Kinder, ein Junge (10) und eine Tochter (14), sich für den Familienbetrieb begeistern können. Im Grunde tun sie das schon jetzt. „Was gibt es schöneres als oben in einem Baum zu hängen, den Opa gepflanzt hat? Und dann die Hand ausstrecken und in einen Kaiser Wilhelm beißen...“

>>>Info: Streuobstwiesenfest zum Jubiläum

Zum Streuobstwiesenfest lädt die Privatkelterei van Nahmen zum 100. Firmenjahr: Am Samstag, 2. September, ist Tag des offenen Hofes, 12 bis 17 Uhr. Wer Obst hat, und die Sorte nicht bestimmen kann, kann sich an diesem Tag an einen Obstkundler (Pomologe) wenden. Er kennt die Sorte bestimmt. Es gibt Einblicke in den Produktionsprozess, Marktstände, beispielsweise mit alten Obstsorten, Informationen zum Thema Streuobstwiese und mehr. Speiseeis aus dem hauseigenen Saft, Informationen zur Obstbaumveredelung, Basteln und Kinderschminken. Der neue Hofladen wird an diesem Tag zum ersten Mal öffnen