Wesel. . Weseler Stadt-Express entführte seine Fahrgäste in vergangene Zeiten. Lok und Waggons sind im Winter erneuert worden, jetzt folgt das Vergnügen

  • Traditionell eröffnet der Verein Historischer Schienenverkehr die Saison am Osterwochenende
  • Obwohl es kalt und nass war, fanden sich etliche Fahrgäste, um nach alter Väter Sitte zu reisen
  • Gemütlich und entschleunigt, zuckelten sie zur Besichtigung des alten Wasserwerks

Gemütlich zockelt der Zug auf seine Endstation zu, mit einem lauten Tuten werden auch die letzten Fußgänger gewarnt. Die meisten halten sowieso schon Ausschau nach der blau-roten Lok, das Tuten wird eher zu einem „Hallo!“. Mit einem leisen Quietschen kommt die Bahn schließlich zum Stehen, die Fahrgäste steigen aus und auch Schaffner Christian Trummer verlässt das gemütliche Abteil. Draußen ist es leider kalt und windig, wohl der wichtigste Grund dafür, dass nicht allzu viele Spaziergänger und damit potenzielle Fahrgäste unterwegs sind. Immerhin können sich alle Mitfahrenden im Zug aufwärmen, schließlich ist jeder Waggon beheizt. Trummer ist trotz des Wetters recht zufrieden: „Eigentlich kann ich mich nicht beschweren, die erste Fahrt war trotz des Wetters ganz gut besucht“, zieht er eine erste Bilanz.

Seit vielen Jahren startet der „Weseler Stadt-Express“ an den Osterfeiertagen die Saison, auch an diesem Wochenende waren mehr als zehn Vereinsmitglieder des „Historischen Schienenverkehrs Wesel“ im Einsatz, um einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen.

Klaus Kaitna, 1. Vorsitzender des Vereins, brachte Kuchen mit.
Klaus Kaitna, 1. Vorsitzender des Vereins, brachte Kuchen mit.

Reparaturarbeiten im Winter

Längst nicht alle von ihnen haben auch in der Arbeitswelt mit Zügen zu tun, erzählt Trummer: „Vom Einzelhandelskaufmann bis hin zum Berufseisenbahner ist eigentlich alles dabei.“ Die handwerklichen Fähigkeiten, die es braucht, um alte Züge zu restaurieren, kann man während der Arbeit im Verein lernen – es sind also nicht nur Profis gefragt.

Im Winter werden vor allem kleinere Reparaturen an den Wagen vorgenommen, Wassertanks kontrolliert, Stromleitungen überprüft – es gibt viel zu tun: „Das ist teilweise eine regelrechte Sisyphos-Arbeit“, weiß Trummer. Viel mehr Zeit für ein längeres Gespräch bleibt nicht, denn auch der „Weseler Stadt-Express“ hat einen Fahrplan. Mit der Trillerpfeife bereitet er die Abfahrt vor, kurz darauf setzt sich die Lok wieder in Bewegung, um mit Tempo 25 Richtung Altes Wasserwerk zu fahren.

Dort wartet Ralf Schauerte auf die Fahrgäste. Denn neben der Zugfahrt gehört auch eine Vorführung der Dampfmaschine im Wasserwerk zum Programm: „Das rundet das Ganze doch schön ab. Hier erhält man dann noch einen anderen historischen Einblick“, findet er. Als das Wasserwerk 1886 seinen Betrieb aufnahm, waren die Maschinen noch etwas kleiner.

Ralf Schauerte zeigt den Gästen das Alte Wasserwerk.
Ralf Schauerte zeigt den Gästen das Alte Wasserwerk.

Begeisterung für alte Technik

Die riesige Dampfmaschine, die Besucher heute bewundern können, kam erst 1903 hinzu. Angetrieben wurde sie damals mit einem ebenso großen Dampfkessel, der natürlich mit Kohle rund um die Uhr befeuert werden musste: „Den konnte man nicht eben an- oder ausschalten“, erzählt Schauerte. Den Kessel braucht es heute nicht mehr, mittlerweile ist ein Kompressor an die Anlage angeschlossen, der die Maschine mit Druckluft antreibt. Für Vorführungen reicht das aus: „Dass wir hier überhaupt noch alles in so einem guten Zustand vorfinden, ist ein Glücksfall“, findet er. Die Begeisterung für die alte Technik ist ihm anzumerken, es gibt fast keine Frage, die er nicht beantworten kann: „Das ist schon Wahnsinn, was damals hier geleistet wurde.“ Kurz nachdem die Kolben der Anlage wieder stillstehen, tutet es auf den Gleisen: Die nächsten Fahrgäste sind angekommen.

INFOS: HISTORISCHER SCHINENVERKEHR

  • Das Schienennetz, das heute vom Verein „Historischer Schienenverkehr“ genutzt wird, war ursprünglich Teil einer wichtigen Ost-West-Verbindung. Von den Niederlanden führte die Boxteler Bahn bis nach Wesel – und von dort aus weiter Richtung Berlin.
  • Ein Knotenpunkt des Eisenbahnverkehrs sei Wesel damit gewesen, erzählt Ralf Schauerte. Erst mit der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung des Ruhrgebiets habe die Stadt diesen Status verloren. Weitere Informationen: www.hsw-wesel.de