Wesel. . Johan Mooij ist ein international anerkannter Gänseexperte. Zahllose Male war er schon dort, wo die Wildgänse brüten, in der sibirischen Tundra.

  • Im Mai wird der Geschäftsführer der Biologischen Station im Kreis Wesel offiziell verabschiedet
  • Einmal pro Woche schaut der 67-Jährige ohnehin weiter am Freybergweg vorbei
  • Und um seine Gänse sowie vieles andere mehr wird sich der Biologe auch weiterhin kümmern

Wenn es um Wildgänse geht, die im Herbst aus Sibirien an den Niederrhein kommen und im Frühjahr wieder den weiten Weg zurück in ihre Brutgebiete fliegen, ist Johan Mooij die erste Adresse. Er kennt die Vögel aus dem Effeff, hat Jahr für Jahr Tausende und Abertausende von ihnen gezählt, ist immer wieder in der eisigen Tundra gewesen und begleitete 1999 den spektakulären Flug der Zwerggänse mit den französischen Ultraleichtfliegerlotsen aus Schweden auf die Bislicher Insel. Es waren abwechslungsreiche und teils auch aufregende 32 Jahre, die der heute 67-Jährige bei der Biologischen Station im Kreis Wesel verbracht hat. Seit dreieinhalb Monaten ist der Geschäftsführer der Biostation am Freybergweg in Wesel im Ruhestand, Anfang Mai wird er offiziell verabschiedet.

Ein Lebenstraum

Denn so ganz kann der Biologe, der 1976 aus den Niederlanden an den Niederrhein kam, es natürlich nicht lassen. Einmal in der Woche schaut er bei den ehemaligen Kollegen ganz sicher vorbei. Als freier Mitarbeiter ist er weiter mit Kartierungen beschäftigt, kümmert sich um die Kiebitzbestände, die Saatkrähen um Xanten, möchte weitere Zwerggänse mit dem Ultraleichtflieger herholen und die Anbindung des Rheins an die Bislicher Insel befördern. Darüber hinaus schreibt er weiter an einem Ökologiebuch, das sowohl Geschichtliches als auch die Gegenwart umfassen wird.

Mit dem Onkel im Boot

Es ist so etwas wie ein Lebenstraum, den sich Johan Mooij erfüllt hat. Aufgewachsen in Zaandam nördlich von Amsterdam war er schon als Kind gern mit dem Bötchen unterwegs, um Vögel zu beobachten. Das lag ihm im Blut, ist sein Onkel Dirk Mooij doch in den Niederlanden ein bekannter Ornithologe. Von Beruf war der zwar Rechtsanwalt, doch das große Hobby blieben immer die Vögel. Kein Wunder, dass das erste Vogelbestimmungsbuch in Holland aus seiner Feder stammt. Johan Mooij schlug den direkten Weg ein. Er studierte Biologie mit dem Schwerpunkt Ökologie an der Uni in Amsterdam. Als er 1973 im Nationalpark Wattenmeer bei der Insel Schiermonnikoog mal wieder im Dienste der Wissenschaft unterwegs war, lernte er seine heutige Ehefrau Gabi Mooij-Kulschewski kennen, die dort Urlaub machte - der Weg nach Deutschland war eingeschlagen.

Ein Bild aus jungen Jahren.
Ein Bild aus jungen Jahren. © pr

Heute lebt Mooij nach Stationen als Biologielehrer in Moers und Xanten in einer Kate in Xanten-Wardt, ganz ländlich, so wie er es mag. Als sich Anfang der 80er Jahre die Möglichkeit bot, die Untere Landschaftsbehörde des Kreises Wesel mit aufzubauen, sagte er ja, um kurze Zeit später eine Aufgabe beim World Wildlife Fund (WWF) zu übernehmen: er betreute den Niederrhein und konnte sich fortan freier entfalten, wie er sagt. „Häufig seine fachliche Meinung hinter der politischen zu verstecken, das ist nicht mein Ding.“

Exkursion ums Ijsselmeer

Seine Liebe zu den Wildgänsen entdeckte Mooij in den 70er Jahren in Holland. Ein Professor, ein Wasservogelexperte, lud zur Gänseexkursion rund ums Ijsselmeer. „Da hatte ich die meisten Gänsearten schon gesehen“, schwärmt der Fachmann, „denn es gibt deutlich mehr Gänse in Holland als hier.“ Am Niederrhein begann Mooij die Gänse systematisch zu erfassen. Dabei stieß er auf viel Unwissenheit, kaum jemand konnte ihm sagen, wie lange die Vögel schon kommen und wie viele es sind. Ganz zu Beginn habe er zwischen dem Orsoyer Rheinbogen und Nimwegen die Zählung an einem Tag erledigen können, 6000, 7000 Tiere registrierte er damals. Doch es wurden immer mehr. Mitte der 80er Jahre waren zwei Tage nötig, um die Arbeit gewissenhaft zu erledigen, mittlerweile zählen mehrere Dutzend Menschen das Federvieh. 180000 bis 200000 Wildgänse überwintern am Niederrhein, vielleicht sogar noch mehr, weil sie sich mittlerweile nicht nur in Rheinnähe, sondern auch in den Kreisen Viersen und Borken niederlassen.

Der Blick zurück hat Mooij gezeigt, dass die Bestände in den 20er, 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts hier drastisch zurückgingen. Die Intensivierung der Landwirtschaft war wohl der Grund, dass sich immer mehr Wildgänse in Rumänien, Bulgarien, Ungarn und der Ukraine blicken ließen. „Doch irgendwann haben sie gemerkt, dass man mit dieser Landwirtschaft ganz gut zurecht kommt“, sagt der 67-Jährige, der in knapp zehn Tagen seinen 68. Geburtstag feiern wird. Auch klimatische Einflüsse könnten eine Rolle spielen, etwa mit Blick auf die Weißwangengänse, die früher nur an der Küste zu finden waren und sich nun immer öfter auch bei uns blicken lassen.

Nachts vor der Kate

Wenn die Gänse im Frühjahr wieder aufbrechen, ist das für Johan Mooij kein Grund zur Traurigkeit. „Ich weiß ja, dass sie wiederkommen“, sagt er und freut sich darüber, dass die Störche wieder da sind und die Amsel aus voller Brust singt. „Dann weiß ich, der Winter ist vorbei“, obwohl er auch diese Jahreszeit sehr mag. 3000 bis 9000 Kilometer legt eine Blässgans pro Strecke übrigens zurück. Denn so manches mal, das haben Auswertungen von Sendern ergeben, fliegen sie ordentliche Umwege. Diesmal nutzten die niederrheinischen Überwinterer den günstigen Südwestwind. „Das war ideal, um abzufliegen“, weiß der Wahl-Xantener, der dann des Nachts gern vor seiner Kate steht und die Rufe der Wildgänse hört. „Da war der Teufel los“, schwärmt er, der früher sogar selbst Gänse gezüchtet hat...

ALLES BEGANN MIT 25000 D-MARK

„Wir haben mit nichts angefangen“, erinnert sich Mooij an den Beginn der Bio-Station in einer Baracke an der Jülicher Straße. 25000 D-Mark habe das damalige Gründungsquartett damals vom Kreis erhalten und alles ehrenamtlich erledigt. Später wurde dann die Station an der Aue in der Feldmark eröffnet.

Positiv bewertet Mooij die Einrichtung der hiesigen Vogelschutzgebiete nach der Ramsar-Konvention. Doch nach wie vor würden Regelungen zu wenig umgesetzt. Und die Menschen würden immer naturferner. Programme, um sie für die Natur zu begeistern, fehlten aber.

Gerne möchte Mooij die Anbindung des Rheins an die Bislicher Insel begleiten, eine Idee, die er bereits Anfang der 80er Jahre ausgebrütet habe. Doch eine brauchbare Planung dazu gebe es bis heute nicht. Hier sei es wichtig, dass man - wie in den Niederlanden üblich - miteinander rede. Denn die Überflutung des Eyländer Wegs sei kaum ein Thema. Wenn das Wasser komme, dann höchstens im Winter, wenn ohnehin kein Radfahrer unterwegs und die Straße jetzt schon überflutet sei. In den letzten Jahren habe es das allerdings nicht gegeben.