Wesel. Tauben in Wesel werden künftig auf dem Dach der Klärwerke von Ehrenamtlern versorgt. Ziel ist eine stabile Population für die Innenstadt.

  • Rund 500 Tauben leben aktuell im Stadtgebiet. Zahl soll konstant bleiben
  • Verein säubert die Taubenhäuser und tauscht die Eier gegen Attrappen aus
  • Tierschützer wünschen sich mehr als drei Stadttaubenhäuser für Wesel

Auf dem Dach des Silos wird es eng. Staunen mit Aussicht. Von oben hat man den besten Blick. Der Taubenschwarm, der da beisammen hockt, gurrt Protest. Ständig kommen neue Vögel hinzu – andere erheben sich, um näher ans Geschehen heranzuflattern: Was passiert mit unserem Futterhaus?!?

Die Mitarbeiter der Firma Autokrandienst Jaromin gehen umsichtig zur Sache. Langsam hebt der Kran das eingepackte Holzhäuschen vom RWZ-Gebäude, trägt es ein Stück durch die Luft und bugsiert es dann ganz vorsichtig auf einen Lkw. „Geschafft!“, kommentiert ein Spaziergänger, der stehen geblieben ist, um sich das Spektakel anzuschauen. „Hoffentlich finden die Tauben ihr neues Zuhause jetzt auch.“

Alter Standort war das RWZ-Gebäude

Gestern mittag gab es im Weseler Hafen einen ungewöhnlichen Umzug zu bestaunen. Mithilfe der Oberhausener Autokranfirma und vielen weiteren Sponsoren wurden die beiden Stadttaubenhäuser vom RWZ-Dach auf eine erhöhte Fläche der Klärwerke transportiert. Der geplante Abriss des RWZ-Gebäudes machte den Umzug notwendig – die Stadtwerke hatten sich auf Anfrage bereit erklärt, die gefiederten Gäste aufzunehmen, zog Jens Kiel, Betriebsleiter der Kläranlage, Bilanz.

Bis zu 130 Tauben nutzen die beiden Hafen-Häuser, eine kleine Auffang- oder Krankenstation und ein 18-Quadratmeter-Futterhaus. Nur wenige Meter galt es gestern zurückzulegen, von der Hafenstraße zur neuen Adresse An der Windmühle. Da eine Höhe von rund 40 Metern überbrückt werden musste, war ein Kran erforderlich.

Zwei Monate hatten die Tauben kein Haus

In einem Mitarbeiterraum auf dem Kläranlagen-Gelände warten Silja Meyer-Suchsland, Vorsitzende des Stadttaubenprojekt Wesel-Hamm, und ihre Helfer auf weitere Instruktionen. Ein Taubenhaus wurde bereits versetzt – das andere soll in einer halben Stunde eintreffen. Bis dahin ist Pause. Es gibt Kaffee und selbstgebackenen Kuchen. „Das verzögert sich etwas“, erklärt Meyer-Suchsland.

Den Tierfreunden ist es egal. Hauptsache, der Umzug kommt überhaupt zustande. Zwei Monate mussten die Tauben ohne ihre Häuschen auskommen. Meyer-Suchsland hat sie während dieser Zeit als Schwarm suchend über dem Hafen kreisen sehen.

Verein wünscht sich viertes Taubenhaus am Bahnhof

Zwei weitere Stadttaubenhäuser gibt es in Wesel, eins im Domviertel und eins im Kaufhof-Park. Zu wenig, weiß Meyer-Suchsland. Ein viertes Taubenhaus am Bahnhof wäre dringend notwendig. Die Vereins-Helfer halten die Tauben-Behausungen sauber und hindern die Vögel daran, sich zu vermehren, indem sie ihre Eier durch Kunststoffattrappen ersetzen.

So kann Wesels Population von rund 500 Tieren konstant gehalten werden. Ohne das menschliche Eingreifen würden sich die gefiederten Städter quasi ins Unendliche vermehren, weiß Silja Meyer-Suchsland. 500 bis 800 Eier pro Jahr werden stibitzt. Den Tauben ist das völlig schnuppe. Sie merken den Pfusch nicht einmal.

Scharfe Augen und ein guter Orientierungssinn

Den Spaziergänger kann die Tierfreundin aber beruhigen. Die Vögel werden ihr neues Zuhause spielend finden. Sie sind nämlich alles andere als doof. Tauben haben extrem scharfe Augen, ein gutes Kommunikationssystem und einen hervorragenden Orientierungssinn. Wie zum Beweis kreisen zwei Tauben im Sinkflug über der neuen Adresse. Sieht ja schick aus. Den Rheinblick allerdings werden sie vermissen.