Kreis Wesel. . Opfer einer Sexualstraftat können jetzt im Kreis Wesel gerichtsverwertbare Spuren anonym sichern zu lassen - ohne Polizei.

  • Beweismittel (z.B. Fotos und DNA) werden in der Düsseldorfer Rechtsmedizin zehn Jahre lang aufbewahrt
  • Nur etwa 30 Prozent der Sexual-Straftaten kamen bisher überhaupt zu einer Anzeige
  • Lediglich jede fünfte Anzeige wegen Vergewaltigung führt überhaupt zu einem Gerichtsverfahren

Bisher lief es so: Erstattete eine Frau, die Opfer einer Sexualstraftat geworden ist, Anzeige, nahm die Polizei selbstverständlich die Ermittlungen auf. Doch, wenn sie – aus welchen Gründen auch immer – sich erstmal gegen eine Anzeige entschied, gab es später kaum noch eine Chance, den Straftäter zu überführen.

Denn dann wurden fast nie Spuren gesichert, die später vor Gericht eine Überführung des Täters ermöglichen – selbst wenn die Frau sich dann irgendwann später doch zu einer Anzeige durchringen konnte.

Ein Koffer für die  Anonyme Spurensicherung.
Ein Koffer für die Anonyme Spurensicherung. © Helios

"Frauen aus Drucksituation herausnehmen"

Dies hat sich jetzt im Kreis Wesel radikal geändert: Denn Frauen müssen sich nach einer Vergewaltigung erstmal nicht sofort entscheiden, ob sie eine Anzeige erstatten wollen. Sie haben nun die Möglichkeit einer anonymen Spurensicherung. Die ist jetzt in jedem der fünf Kreis Weseler Krankenhäuser mit gynäkologischer Klinik möglich. Großer Vorteil für die Opfer: Sie haben anschließend sogar zehn Jahre Zeit, sich zu einer Anzeige zu entschließen und so ihre Peiniger vor Gericht zu bringen.

Denn wichtige Beweismittel (beispielsweise Fotos und DNA) werden in der Düsseldorfer Rechtsmedizin zehn Jahre lang aufbewahrt.

„Wir erhoffen uns damit, dass die Frauen aus der Drucksituation herausgenommen werden“, sagt Petra Hommers, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Wesel und zugleich Leiterin des Runden Tisches gegen Häusliche Gewalt.

Die Opfer seien häufig traumatisiert, würden sich schämen und hätten Probleme mit der Tat umzugehen. „Nun haben sie aber Zeit zum Nachdenken, ob sie zu einem späteren Zeitpunkt Anzeige erstatten wollen“, ergänzt Hommers.

Scharfe Kritik: Bisherige Praxis sei ein „Systemfehler“

Als „Systemfehler“ bezeichnet Karl-Heinz Schayen von der Opfer-Hilfsorganisation Weißer Ring die bisherige Praxis. „Viele Frauen scheuen den Weg zur Polizei“, sagt Schayen und ergänzt, dass nur etwa 30 Prozent der Sexual-Straftaten überhaupt zur Anzeige kommen.

Und noch schlimmer: Nur jede fünfte Anzeige führt überhaupt zu einem Gerichtsverfahren. „Zu diesem kommt es nur, wenn die Staatsanwaltschaft zu mindestens 51 Prozent davon ausgeht, dass es zu einer Verurteilung kommen wird“, konkretisiert Rechtsanwalt Tim Rathner.

Damit können Tatspuren gesichert werden.
Damit können Tatspuren gesichert werden. © Fabian Strauch

Ganz häufig seien fehlende rechtssichere Beweise der Grund, weshalb ein Verfahren eingestellt werde.

Weil beispielsweise die Spuren nicht mehr gesichert werden können, wenn sich eine Frau Wochen, Monate oder Jahre nach einer Straftat dazu entschließt, den Täter anzuzeigen.

Dr. Susanne Findt, Chefärztin der Gynäkologie am evangelischen Krankenhaus in Wesel, steht eines der neuen Untersuchungssets zur Verfügung.

Sie wird die betroffenen Frauen, die keine Anzeige erstatten möchten, ermutigen, die anonyme Spurensicherung durchführen zu lassen. „Damit das Opfer überhaupt eine Chance hat“, so Findt.

>>> KOSTENLOSE BERATUNGSANGEBOTE

Mehrere Fachberatungsstellen stehen kostenlos und auch anonym zur Verfügung. Opfer können sich beim Verein „Frauen helfen Frauen“ ( 02841-28600) oder der Frauenberatungsstelle Wesel ( 0281-27990) melden.

Der Weiße Ring (116006) hilft sogar rund um die Uhr.